Fehlende männliche Vorbilder

Zehn Prozent des Personals in Bremer Kindertagesstätten ist männlich. „Immerhin“, sagt das Ressort, „viel zu wenig“, sagen die Grünen. Einig ist man sich über die Wichtigkeit männlicher Identifikationsfiguren, uneinig über den Weg

Bremen taz ■ „Auf allen Ebenen“ will sich der Bremer Senat dafür einsetzen, männliche Mitarbeiter für die pädagogische Arbeit in Tageseinrichtungen für Kinder „zu werben und zu motivieren“. Diese auf Anfrage von Bündnis90/Die Grünen abgegebene Erklärung tut in der Tat not: Derzeit sind von 3.954 Bremer Kita-MitarbeiterInnen gerade mal 428 männlich. Dabei gelten Kindertageseinrichtungen auch dem Senat als „zentraler Ort“, an dem Kinder rollenspezifische Verhaltensweisen und geschlechtliche Identitäten entwickeln.

Denn: Wenn nur jede zehnte Bezugsperson männlich sei, müssten „insbesondere Jungen ihre Identität fast ausschließlich in der Abgrenzung als ,nicht-weiblich‘ entwickeln“ und liefen entsprechend Gefahr, ihre Rollenbilder aus Medien und der Werbung zu beziehen – zumal immer mehr Kinder bei allein erziehenden Müttern groß würden.

Mit anderen Worten: Der Senat sieht dringenden Handlungsbedarf. Doch während er sich dabei konzeptionell auf gutem Weg wähnt, konstatieren die Grünen diesbezüglich einen „kompletten Mangel“. Jens Crueger, zuständiger Fachsprecher der Partei: „Es gibt keine erkennbare Linie, wie die Bedingungen nachhaltig verändert werden.“

Schon das Lohnniveau in Kitas (in der Regel BAT VII) hielte viele Männer ab. Crueger: „Wenn man mit einer halben Erzieherstelle ergänzende Sozialhilfe beantragen kann, kommt das für viele Männer, die noch die konventionelle Rolle als Familienernährer erfüllen, nicht in Frage.“ Auch die Heranführung von Jungs an soziale Berufe klappe nicht. Während etwa der „Girls Day“ (Mädchen gehen in die Betriebe) mittlerweile fest institutionalisiert sei, existiere ein entsprechender „Boys Day“ nur an wenigen Schulen.

Der Senat seinerseits verweist unter anderem auf die derzeit laufenden Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen („ProKiTa GbR“): Dort werden derzeit 225 Kräfte als Kinderpfleger, Sozialassistenten oder Erzieher aus- und weitergebildet. Davon jedoch sind nur 17 männlich – die einzige statistische Spitzenposition in diesem Kontext nehmen Männer bei der Abbrecherquote ein. Vor diesem Hintergrund bezeichnet es Crueger als „Etikettenschwindel“, wenn die „ProKita“-Initiative als Gender-Programm bezeichnet werde.

Des Weiteren verweist der Senat auf den „ausgesprochen positiv zu bewertenden“ Einsatz von Zivildienstleistenden in Kindertageseinrichtungen. Auch Crueger hält – trotz Ablehnung der Wehr- und Dienstpflicht – den Zivildienst für „die beste Werbung“ unter Männern für soziale Berufe. Bei stetig abnehmender Dienstdauer ist der Zivildienst in pädagogischen Kontexten in absehbarer Zeit allerdings ein Auslaufmodell. Auch ein Kindergartenjahr hat zwölf Monate, der Zivildienst derzeit nur noch neun.

Das Beunruhigende: Der Trend ist negativ. Der ohnehin geringe Anteil in Kitas beschäftigter Männer sank von bundesweit 5,04 Prozent 1998 auf 3,84 Prozent im vergangenen Jahr. Dabei schon mitgerechnet sind die in großen Kindergärten arbeitenden Köche, relativ viele der Kita-Männer sind auch als Einrichtungsleiter tätig. In der direkten pädagogischen Arbeit waren 2004 nur noch 1,78 Prozent der Beschäftigten Männer. Trendzahlen speziell für Bremen liegen laut Sozialressort-Sprecherin Heidrun Ide nicht vor, dafür verweist das Ressort gern auf Bremens mit 10,82 Prozent gehaltene Spitzenposition bei Kita-Männern. Die allerdings bezieht sich auf ein Ranking der Bundesländer, in dem das bekannte Stadt/Land-Gefälle statistisch verschwindet. Aussagekräftigere Zahlen etwa aus einem Städtevergleich liegen nach Ides Angaben nicht vor.

Im Prinzip gehe es auch gar nicht um „Benchmarking“, betont Crueger, sondern um die tägliche Realität in den Kitas: „Dass es woanders auch schlecht oder noch schlechter läuft, kann kein Trost sein.“ Sein Fazit für Bremen: „Bislang läuft im Prinzip alles so weiter wie bisher.“ Henning Bleyl