Hartz I bis III weitgehend wirkungslos

Auswertungsbericht zu den Arbeitsmarktreformen belegt: Private Arbeitsvermittlung ist bloß teuer. Minijobs schaffen keinen Übergang in reguläre Jobs. Nur die Ich-AG vermeidet Arbeitslosigkeit. Ausgerechnet die jedoch will die Koalition umbauen

VON ULRIKE WINKELMANN

Der Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) habe den Bericht noch nicht gesehen, sagt die Sprecherin seines Ministeriums. Er kursiere im Hause noch auf untergeordneter Ebene und solle im Januar dem Kabinett vorgelegt werden. Kein offizielles Wort daher über den Auswertungsbericht zu den ersten drei „Hartz“-Reformen, den gestern das Handelsblatt in Auszügen präsentierte. Demnach haben die Reformen für den Arbeitsmarkt mit dem Namen Hartz I, II und III, die unter Rot-Grün 2003 und 2004 umgesetzt wurden, wenig bis nichts gebracht und teils sogar geschadet.

Besonders die Personal-Service-Agenturen (PSA) verringern nicht etwa die Arbeitslosigkeit, sondern: „Der Einsatz in einer PSA verlängert im Vergleich zur Kontrollgruppe die durchschnittliche Arbeitslosigkeit um fast einen Monat, gleichzeitig liegen die monatlichen Kosten weit über den ansonsten entstandenen Transferleistungen“ – pro Arbeitslosen um 5.700 Euro, zitiert das Blatt.

Die PSA sind privat betriebene Unternehmen, die jeder Arbeitsagentur angegliedert sind. Sie stellen Arbeitslose an und vermitteln sie als Leiharbeiter zu günstigen Konditionen weiter. Zusammen mit den „Vermittlungsgutscheinen“ für private Arbeitsvermittlungen – laut Bericht ebenfalls „kein geeignetes Instrument“ zur Integration in den Arbeitsmarkt – waren die PSA Produkte der allerersten Hartz-Reformwelle.

Auslöser für den Reformeifer war der Skandal um gefälschte Vermittlungsbilanzen der damaligen Bundesanstalt für Arbeit im Februar 2002. Schon vor dem Rücktritt des obersten Arbeitsamtschefs Bernhard Jagoda kündigte der damalige Arbeitsminister Walter Riester (SPD) an, private Arbeitsvermittlung werde nun eine größere Rolle spielen.

Sämtliche Fraktionen im Bundestag lobten ihn dafür. Nur Riesters Amtsvorgänger Norbert Blüm (CDU) warnte noch im Februar 2002: Die Privatvermittler würden bloß „absahnen“. Selbst wenn die Arbeitsvermittlung perfekt wäre, bliebe immer noch die Massenarbeitslosigkeit.

Solche Einwände gingen jedoch unter, als der Volkswagen-Manager Peter Hartz mit seiner Kommission im Sommer 2002 ein Reformbündel vorlegte und versprach, damit würden Millionen von Menschen in Arbeit kommen. Die Unionschefin Angela Merkel zum Beispiel kritisierte zwar das Versprechen, forderte aber jeweils mehr und weitergehende Reformen.

Doch nicht nur die Teilprivatisierung der Arbeitsvermittlung ist offenbar komplett fehlgeschlagen. Auch die Anreize, ältere Arbeitnehmer einzustellen, seien „wirkungslos verpufft“, schreibt das Handelsblatt. Neu eingestellte ältere Arbeitnehmer haben faktisch keinen Kündigungsschutz. Die Minijobs – geringfügige Beschäftigung für 400 Euro, die nahezu sozialversicherungsfrei ist – boomen zwar. Doch schaffen sie keinen Übergang in reguläre Jobs. Nach weit verbreiteter Meinung ersetzen sie diese vielmehr.

Einzig die Förderung von Selbständigkeit – Ich-AG und Überbrückungsgeld – können „hinsichtlich der Vermeidung einer Rückkehr in die Arbeitslosigkeit als erfolgreich angesehen werden“, heißt es in dem Bericht. Diese beiden Instrumente wird die große Koalition – anders als zunächst angekündigt – zur Mitte kommenden Jahres vermutlich nun doch nicht abschaffen. Dann läuft zwar die Ich-AG-Förderung aus. Doch wahrscheinlich werden Ich-AG und Überbrückungsgeld zusammengelegt.

Der erste Auswertungsbericht der Hartz-I- bis -III-Reformen wurde im November 2002 vom Bundestag bestellt. Die Aufträge zur Evaluation ergingen kapitelweise an fast ein Dutzend Wirtschaftsforschungsinstitute der Republik. Bis Ende 2006 soll ein Abschlussbericht vorliegen. Es bleibt abzuwarten, was von den Gesetzen dann noch übrig ist. Die Arbeitsmarktreform Hartz IV – die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe seit Anfang dieses Jahres – wird extra untersucht. Der Bericht dazu soll 2008 fertig sein.

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