Auslegung zu leicht gemacht

Demofilmerei der Polizei

VON KONRAD LITSCHKO

Es war 2010, als das Berliner Verwaltungsgericht den Polizeikameras das Zeug zur Demokratiegefahr attestierte. Begründung: Auf Demonstrationen anlasslos und grundsätzlich eingesetzt, kann die Filmerei Bürger von ihrem Recht zum Demonstrieren abschrecken. Dieses Urteil findet diese Woche eine eigentümliche Interpretation: Wenn Rot-Schwarz nun sein neues Gesetz zu den „Übersichtsaufnahmen“ absegnet, erklärt es damit das vom Gericht Gerügte schlicht als erlaubt.

Das ist ein bisschen leicht gemacht. Denn durften die Kameras bisher nur bei Anzeichen von Krawall angeschaltet werden, ist dies künftig stets erlaubt, wenn eine Demo „groß“ und „unübersichtlich“ ist – im Zweifel also immer. Sicher: Die Bilder sollen nicht gespeichert, die Demoleitung vom Filmen informiert werden. Nur ändert das nichts an den ursprünglichen Bedenken des Gerichts: der Abschreckung. Denn in der Praxis werden sich weiter, sogar vermehrt, Kameras auf die Protestler richten. Dass dabei nicht herangezoomt, das Material später nicht ausgewertet wird – das wird der Durchschnittsdemonstrant kaum wissen. Und die, die es wissen, können es nicht kontrollieren.

Gerichtsklatsche erwartbar

Warum also das Ganze? Zur Koordinationserleichterung, sagt der Polizeipräsident. Belege aber, wo Einsätze bisher erschwert wurden, weil Aufnahmen fehlten, liefert er nicht. Der Eindruck, hier am 1. Mai sicher drauflosfilmen zu wollen, ist so nicht von der Hand zu weisen.

Es ist gut möglich, dass am Ende wieder ein Gericht die Demofilmerei zurechtrückt. Die Opposition hat ihre Verfassungsklage schon angekündigt.