Die „Leitplanke“ von Kopenhagen

KLIMARECHT Der Klimawandel zwingt den Staat zum Handeln, sagen Juristen. Aber während die einen noch auf Freiwilligkeit setzen, verlangen andere rechtlich verbindlichen Verzicht. Das aber wirft juristische Probleme auf

von JAN ZIER

Politisch ist der Klimagipfel von Kopenhagen gescheitert. Da herrscht Einigkeit. Rechtlich nicht ganz. Hat er doch den für Juristen schwer fassbaren Begriff des gefährlichen Klimawandels „konkretisiert“ – sagt die Professorin Sabine Schlacke, Direktorin der Forschungsstelle für Europäisches Umweltrecht (FEU) der Uni Bremen. Jetzt gebe es eine von der Staatengemeinschaft anerkannte „Leitplanke“: Die Klimaerwärmung soll auf maximal zwei Grad begrenzt werden, gemessen am vorindustriellen Niveau. Das habe „den Charakter eines Grenzwertes“.

Um ihn einhalten zu können, müsste die Welt bis 2050 kohlenstofffrei wirtschaften, rechneten Experten jüngst auf einer hochrangig besetzten Tagung in Bremen vor. In Zahlen: Um das erreichen zu können, dürfte die Menschheit noch etwa 750 Milliarden Tonnen CO2 ausstoßen, rund 110 Tonnen pro Person. Diese Ration ist nach gegenwärtigem Stand in 20 Jahren aufgebraucht.

Angesichts dessen, sagt Schlacke, sei klar: „Der Staat muss handeln. Er hat eine „Schutzpflicht“. Aber auch einen „großen Gestaltungsspielraum“. Rechtswissenschaftler wie Thomas Schomerius von der Uni Lüneburg fordern dennoch: Den Verzicht auf Emissionen. Und also: Ein Recht des Verzichts, der „Suffizienz“, wie er es nennt. „Wir müssen dafür juristische Instrumente schaffen“, verlangt er. „Bislang sind wir da rechtlich noch völlig blank.“

Und uneins: Schlacke, die auch die Bundesregierung berät, ist „skeptisch“, ob man den Verzicht überhaupt rechtlich steuern kann: „Das ist die Entscheidung jedes Einzelnen.“ Das Problem: Wer zur Mäßigung zwingen will, um das Klima zu schützen, müsse die Handlungsfreiheit der Bürger und Unternehmen beschneiden, auch das Gleichheitsgebot wäre betroffen. „Das wäre verfassungsrechtlich nur schwer zu rechtfertigen“, sagt Schlacke. Sie plädiert für Freiwilligkeit. Rein ökonomische Lösungen sieht sie kritisch: Der Emissionshandel etwa könne „sehr effizient sein“, so Schlacke. Aber im Sinne des Klimaschutzes sei er „bislang ineffektiv“.

Und dann es gibt ja auch Wissenschaftler wie Jürgen Schmid vom Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik. Verzicht, sagt er, sei doch „große Mühsal“, und überhaupt: „Ich bin mir nicht sicher, dass das der richtige Ansatz ist.“ Er rechnet vor: Wind- und Solarenergie haben, jeweils für sich genommen, „mehr als genug“ Potenzial, um den globalen Strombedarf zu decken. Bis 2050 könne man ohne fossile Energie auskommen, so Schmid. „Das ist alles eine Frage des politischen Willens.“ Und des Geldes.

Doch nicht alle Juristen können dem Ansatz des Technikoptimisten folgen. Er müsse Wasser in diesen Wein gießen, sagt Gerd Winter, Schlackes Kollege bei der FEU. Er sieht viele „Zielkonflikte“, etwa bei der Sozialverträglichkeit. „Rechtlich haben wir das noch nicht im Griff.“