Liebe Landsleute,

Die Neujahrsansprache von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) wurde der taz zugespielt – vorab und exklusiv. Zu hören und zu sehen ist Rüttgers erst am 1. Januar um 19:25 Uhr (WDR)

ein Jahr geht so schnell vorbei. Aber 2005 raste in einem Tempo, dass man gar nicht mehr dazu kam, Luft zu holen, nachzudenken, das Geschaffte genauso zu bewerten wie das weniger Gelungene – etwa dieser fiese Bandwurmsatz.

Ansonsten ist mir in den letzten zwölf Monaten eigentlich alles gelungen. Es war mein bestes Jahr, noch besser als damals als Zukunftsminister. Dafür danke ich meinem Herrgott, den Eltern und allen, die mich kennen.

Nach bald 40 Jahren habe ich Schluss gemacht mit der SPD-Herrschaft am Rhein. Danach habe ich mich mit der FDP auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Und dann bin ich – wie jedes Jahr – nach Südfrankreich gefahren.

In die Ferien? Nun ja, ich war nicht untätig, habe das eine oder andere an unserem Häuschen in Ordnung gebracht. Überhaupt mag ich Werkeln, Abwaschen: Ich liebe es bei meiner reizenden Frau und den braven Kindern zu sein. Leider komme ich so selten dazu. Zum Trost habe ich meiner Frau eine Geschirrspülmaschine gekauft.

Über mangelnde Arbeit können wir uns in Düsseldorf wirklich nicht beklagen – Vorfahrt für Arbeit, sage ich dazu im Scherz. Ich nenne nur ein paar Stichworte: Die Schule – da musste mal durchgegriffen werden.

Es kann nicht sein, dass die alte Dorfschule schließen muss! Das wollte ja auch niemand, auch die Vorgängerregierung nicht. Und deshalb haben wir es nicht gemacht. Oder neue Lehrer, wir haben eingestellt, was Rot-Grün eingestellt hätte. So macht man das: Statt Lehrer einzustellen, haben wir Lehrer eingestellt. Nicht nur verwalten, auch mal gestalten.

Was ich alles erzählen könnte! Grüne und SPD, die hatten sogar Landesbeauftragte für Genderarbeit in der Landesforstbehörde. Ich habe das ausgemistet, jetzt kümmert sich die Gleichstellungsbeauftragte um Geschlechtergerechtigkeit im Wald – fürs gleiche Geld. Politik heißt Zeichen zu setzen.

Zum Beispiel: Den Gürtel enger schnallen. Das hat mir mein Planungsstab in der Staatskanzlei geraten. Meine Bauchlosigkeit habe mich zum Wahlsieger gemacht. Das soll ich 2006 mehr unterstreichen. Passt auch prima zum Sparkurs. Wenn wir alle Opfer bringen müssen, geht das eben nicht ohne Bauchgrimmen.

Nach meinem Wahlsieg am 22. Mai habe ich mich ja zum Vorsitzenden der Arbeiterpartei in NRW ausgerufen. Und ich habe vor, dieses Amt als Ministerpräsident zu behalten. Die CDU hat es in Berlin eh verrissen. Ausgerechnet mit den Sozis eine Bundesregierung? Mit mir nicht!

Mein 2006 soll das Jahr der Nägel mit Köpfen werden. Zuerst werde ich die Arbeiterpartei gründen mit einem Einpunkteprogramm: Guter Lohn für gute Arbeit. Wenn die Menschen aus Angst vor der Zukunft nichts kaufen, gibt es keine Arbeitsplätze. Es ist eine Lebenslüge, dass die Löhne zu hoch sind. Wer das behauptet, weiß nicht, wie die meisten Menschen hier leben.

2006 wird in NRW zum „Jahr der Kinder“. Vor allem meiner eigenen. Ich habe vor, mich wieder mehr um die Racker zu kümmern.

2006 wird unser schönes Bundesland 60 Jahre alt. Ich werde das gebührend feiern. Kommen Sie doch auf ein Kölsch vorbei!

2006 wird das Jahr, in dem wir Weltmeister werden. Wollen doch mal sehen, wer den Pokal überreicht!

Ich wünsche ihnen in dieser frohen Stunde, dass es Ihnen nur halb so gut ergehen möge, wie mir. Dass ihnen die Dinge nur halb so leicht von der Hand gehen, wie sie mir immer gelingen.

Freuen Sie sich: Mein Freund und heiliger Vater hat mir zu Köln geraten, Sie alle in meine Gebete einzuschließen. Und das mache ich jetzt, denn ich bin stolz auf mein Land – seien Sie es auch.

Und das Engerschnallen nicht vergessen.

Nach Rüttgers` Original-Zitaten ( Spülen März; Zwergschulen September; Lehrer August; Beauftragte Dezember; Image Dezember; Arbeiterpartei Mai; Löhne, Kinder Weihnachten; NRW-Tag Dezember, Papst August) MONTAGE: C. SCHURIAN