Off-Kino
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

„Throbbing Gristle Live at the Astoria, London“ 29. 12. im Arsenal 1

Ursprünglich als Gesangstruppe gestartet, hatten die Marx Brothers, denen das Arsenal im Januar eine Filmreihe widmet, ihre verschiedenen Charaktere auf Vaudeville-Tourneen entwickelt: Groucho parodierte in der Folge Respektspersonen wie Professoren, Ärzte oder Premierminister, Harpo spielte den zappeligen Stummen mit der Harfe, Chico verkörperte einen ständig quasselnden falschen Italiener und Zeppo, der seine Karriere später als erster der Brüder aufgab, war einfach nur der freundliche junge Mann. Mit der Verfilmung ihrer erfolgreichen Bühnenproduktion „The Cocoanuts“ (1929) avancierten die Marx Brothers in der anbrechenden Tonfilmära auch zu Kinostars: Ihr respektloser Umgang mit Autoritäten sowie die Mischung aus Wortwitz, Slapstick und schieren Frechheiten begeisterten das Publikum. Oder besser: einen Teil des Publikums. Denn schnell fand man heraus, dass die Brüder kaum weibliche Fans hatten – der Damenwelt erschienen die Komiker zu unsympathisch und zu unattraktiv. Nach dem Flop der Kriegsfarce „Duck Soup“ (1933) und dem Wechsel der Marx Brothers von Paramount zu MGM rettete Produktionschef Irving Thalberg ihre Filmkarriere um den Preis eines Kompromisses: Von nun mussten die Brüder in ihren Filmen als dienstbare Geister einem singenden jugendlichen Liebespaar aus einer Notsituation helfen; die anarchische Komik wurde dabei als Mittel zum guten Zweck instrumentalisiert. Animal Crackers“ (1930), „Monkey Business“ (Die Marx Brothers auf See, 1931) und „Duck Soup“ (Die Marx Brothers im Krieg) gehören zu den frühen Werken der Brüder, in denen sich ihre Komik ohne romantische Subplots und im Falle von „Duck Soup“ auch ohne musikalische Einlagen entfalten konnte. Nicht zuletzt deshalb gilt „Duck Soup“ den Fans heute als ihr bester Film: Grouchos Porträt des größenwahnsinnigen Premierministers Rufus T. Firefly, der einen Krieg mit dem Nachbarland des Operettenstaates Freedonia vom Zaune bricht, weil er die Miete für das Schlachtfeld für einen Monat im Voraus bezahlt hat, ist ebenso genial wie die „Wie du mir, so ich dir“-Slapstickszenen mit Harpo. Absoluter Höhepunkt: die Spiegelszene, in der sich Groucho und der als Groucho verkleidete Harpo als vermeintliches Spiegelbild gegenüberstehen.

Aus gegebenem Anlass nahm ich kürzlich nochmals eine Schallplatte zur Hand, mit der ich eines Tages meine Mitbewohner im Altenpflegeheim zu terrorisieren gedenke: Throbbing Gristles „Greatest Hits“ von 1981. „Entertainment through Pain“ steht als Motto auf dem Cover mit dem attraktiven Foto von Bandmitglied Cosey Fanni Tutti, und das beschreibt Musik und Wirken der radikalen Geräuschproduzenten, die sich nach 25 Jahren jetzt zu neuem Schaffen aufgerafft haben, ganz treffend. Das Arsenal präsentiert heute die Weltpremiere des Films „TG Live at the Astoria, London“ und lädt zur anschließenden Diskussion mit der Band. Alle Masochisten, die an dieser Veranstaltung teilnehmen möchten, werden um Anmeldung gebeten. LARS PENNING

„Animal Crackers“ (OF) 1. 1., „Monkey Business“ (OF) 2. 1., „Duck Soup“ (OF) 3. 1. im Arsenal 1