Israel richtet Sicherheitszone ein

Die Armee fordert die Palästinenser in Flugblättern auf, den nördlichen Gaza-Streifen zu verlassen. Ortschaften sind nach Regierungsangaben nicht betroffen. Mit der Maßnahme soll die eigene Bevölkerung vor Raketenangriffen geschützt werden

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Der nördliche Gaza-Streifen soll bis auf weiteres menschenleer bleiben. Zigtausende Flugblätter, die die israelische Luftwaffe über dem palästinensischen Gebiet abwarf, forderten gestern alle zum Verlassen der künftigen Sicherheitszone bis spätestens 18.00 Uhr Ortszeit auf. Nach Ablauf des Ultimatums beschoss die Armee das Gebiet mit Artillerie. Mit dieser Maßnahme regierte die Regierung in Jerusalem auf den Raketenbeschuss, der trotz des israelischen Abzugs aus dem Gaza-Streifen Mitte August fortgesetzt wird.

„Zu eurer eigenen Sicherheit“, so heißt es in dem warnenden Pamphlet, „haltet euch nicht in den Zonen auf, die auf der nebenstehenden Karte markiert sind.“ Die Armee plant demnach intensivierte militärische Operationen. Bis zu zweieinhalb Kilometer tief reicht die Sicherheitszone in palästinensisches Gebiet, das offiziellen Angaben zufolge unbewohnt ist. „Niemand muss sein Haus verlassen“, betonte eine Armee-Sprecherin auf telefonische Anfrage. Die Bannmeile umfasse „nur unbebautes Gebiet“, dabei ginge es vor allem um die im Sommer geräumten jüdischen Siedlungen. Ganz anders die Befürchtung des palästinensischen Informationsministeriums, wo man damit rechnet, dass „mindestens 100.000 Menschen“ obdachlos werden. Wer der Anordnung nicht folgt, riskiert „ernsthafte Lebensgefahr“, unterstreicht die „Armee-Kommandantur“, die die Maßnahme rechtfertigt: „Ihr sollt wissen, dass euch terroristische Elemente zu Geiseln und menschlichen Schutzschilden machen und euren Interessen schaden.“

Die Einrichtung einer Sicherheitszone ist keine neue israelische Verteidigungsstrategie. Alon Ben-David, militärischer Fernsehreporter, betrachtet die für die Anwohner schmerzliche Maßnahme eher skeptisch: „Zwanzig Jahre dieser Praxis im Südlibanon brachten nichts.“

Dementgegen sieht Dr. Efraim Kam, stellvertretender Direktor des Jaffe-Zentrums für Strategische Studien an der Universität, „keine andere Wahl, um die (palästinensischen) Angriffe zu stoppen“. Mit der Situation im Südlibanon, den Israel im Sommer 2000 verließ, sei die Bannmeile im Gaza-Streifen nicht zu vergleichen. „Damals waren Soldaten stationiert, heute geht es lediglich um regelmäßige Bombardierungen aus der Luft.“ Der Einsatz von Bodentruppen ist nicht geplant. Ziel sei, die militanten Palästinenser einzuschüchtern. Die Sicherheitszone „wird unser Problem nicht lösen, aber doch minimieren“, so hofft der Militärexperte.

In den vergangenen Jahren wurden 14 Israelis durch Kassam-Raketen getötet, die meisten in der Stadt Sderot, die zu dicht am Gaza-Streifen gelegen ist, als dass die Sicherheitszone Schutz bieten könnte.