Mit Kochlöffeln gegen „Betrug“

VENEZUELA Regierungskandidat Nicolás Maduro ist nun auch offiziell zum Wahlsieger erklärt worden. Die Opposition will das nicht hinnehmen und kündigt weiter Proteste an

„Einschüchterungsversuche sind nicht der richtige Weg“

TIBISAY LUCENA, OBERSTER WAHLRAT

AUS CARACAS JÜRGEN VOGT

„Fraude, Fraude – Wahlbetrug, Wahlbetrug“ skandiert die kleine Menschenmenge schon seit den frühen Nachmittagsstunden auf der Plaza Francia in Altamira, dem traditionellen Treffpunkt der rechten Opposition in der venezolanischen Hauptstadt Caracas. Bis zum Abend sind es mehrere Tausend, die lärmend und auf Kochtöpfe schlagend über die Plaza ziehen, unterstützt vom Hupkonzert der vorbeifahrenden Autos. Ihre einzige Forderung ist die Neuauszählung der Wahlstimmen.

Dann blockieren sie die Stadtautobahn. Polizeieinheiten gehen mit Tränengas und Schlagstöcken dagegen vor, Kochtöpfe und Steine fliegen. Später beruhigt sich die Lage wieder. Die staatliche Nachrichtenagentur AVN berichtet von insgesamt vier Toten bei gewaltsamen Auseinandersetzungen an verschiedenen Stellen des Landes.

Die Anhänger der Opposition nehmen die Niederlage ihres Kandidaten Henrique Capriles nicht hin. Nach dem offiziellen Ergebnis hatte Capriles die Präsidentschaftswahl am Sonntag mit nur 272.865 Stimmen Unterschied gegen Nicolás Maduro verloren. Noch in der Wahlnacht forderte er vom Nationalen Wahlrat (CNE) eine Neuauszählung. Bei der Abstimmung habe es über 3.000 Unregelmäßigkeiten gegeben. „Wir fordern nur, dass unsere Rechte und der Wille des Volkes respektiert werden und dass jede Stimme gezählt wird“, legte er am Montag nach und forderte seine Anhänger zum friedlichen Protest auf.

Zwar wird in Venezuela elektronisch gewählt. Aber bei jeder Stimmabgabe bekommt der Wahlberechtigte einen Beleg mit seinem Votum ausgedruckt, der in eine Wahlurne gesteckt wird. Sollte die Elektronik versagen, kann so die Stimmabgabe jedes einzelnen Wahllokals überprüft werden. Und genau diese Belege sollen nach dem Willen der Opposition ausgezählt und mit den elektronischen Daten abglichen werden. Eine zulässige Forderung, die aber nur vom Wahlrat angeordnet werden kann.

„Im Wahlrat sitzen doch nur Marionetten der Regierung“, sagt Alberto, der sich schon seit Stunden seine Wut aus dem Leib hämmert. „Am Vormittag waren wir da drüben in der Hotelhalle“, zeigt er auf das Caracas Palace. Dort sind die internationalen Wahlbeobachter untergebracht. Mit denen konnten sie sprechen, aber die haben sie nur an den CNE verwiesen. „Die lassen uns ganz einfach im Stich“, klagt Alberto. Tatsächlich haben die internationalen Beobachter Wahlrat und Regierung einen „hervorragenden und demokratischen Wahlablauf“ bescheinigt.

Der Wahlrat hat indessen Fakten geschaffen. Am Montagnachmittag bestätigte er abermals das Ergebnis der Stimmauszählung. „Drohungen und Einschüchterungsversuche sind nicht der richtige Weg“, sagte CNE-Präsidentin Tibisay Lucena und erklärte Nicolás Maduro zum neuen Präsidenten. Eine Neuauszählung der Stimmen ist damit ausgeschlossen.

Maduro bedankte sich bei den internationalen Beobachtern und wies die Kritik der „faschistischen Opposition“ zurück. Am Freitag wird er vereidigt.

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