Randgruppen im Blick

ARBEITSWELT Mit einer neuen Beratungsstelle wollen DGB und Volkshochschule Hilfe für Betroffene von Diskriminierung anbieten – und dazu die gewerkschaftliche Präsenz in den Betrieben nutzen

Mitte 2009 hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine Studie zur Akzeptanz von Antidiskriminierungspolitik veröffentlicht:

■ Nur 15 Prozent der Bevölkerung finden Antidiskriminierungspolitik sinnvoll.

■ Am ehesten akzeptiert ist der Schutz von Frauen, Alten und Behinderten vor Diskriminierung.

■ Diskriminierung wegen Ethnie, Religion oder sexueller Identität gilt der Mehrheit als Problem von „ungeliebten Randgruppen“.

■ Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz setzt für viele nicht bei den „eigentlichen Problemen“ an. Schwerwiegender sei etwa die wachsende Armut.

■ Ablehnend ist die Haltung vor allem in sozial schwachen und traditionellen Milieus.

„Sich am Arbeitsplatz als homosexuell zu outen, ist nach wie vor schwer“, sagt Willi Derbogen, „auch wenn wir einen Außenminister haben, der offen schwul lebt.“ Derbogen ist Leiter des ADA-Projekts des DGB und der Bremer Volkshochschule. Die Abkürzung steht für „Antidiskriminierung in der Arbeitswelt“. Die vom Verein Leben und Arbeit getragene Initiative will Arbeitnehmern, die von Diskriminierung betroffen sind, Beratung und Hilfe anbieten. Morgen wird das Projekt mit einer Podiumsdiskussion vorgestellt.

Die Gewerkschaften selbst hätten meist ein „Spannungsverhältnis“ zur Antidiskriminierungsproblematik, sagt Projektmitarbeiter Olaf Bernau. „Für sie ist die Frage, wo sie ansetzen sollen: bei den Mehrheitsproblemen oder denen von Einzelgruppen.“ Diesen Gegensatz wolle man aufbrechen und zeigen, dass beides zusammengehöre: Von Entlassungen in Krisenzeiten betroffen seien vor allem LeiharbeiterInnen und Geringqualifizierte. Und das seien überwiegend MigrantInnen. „Um Arbeitsplätze etwa durch innerbetriebliche Qualifizierungen abzusichern“, sagt Projektleiter Derbogen, „muss ein Betriebsrat alle Teile der Belegschaft im Blick haben.“ Der Anteil von MigrantInnen sei bei Qualifizierungen bislang aber gering.

Auf dieses „Dilemma“, sagt Derbogen, wolle man Betriebs- und Personalräte sowie Vertrauensleute in den Betrieben mit Bildungsangeboten aufmerksam machen. Derbogen sieht ADA als Ergänzung zu bereits bestehenden Anlaufstellen. Die will er durch Angebote auf betrieblicher Ebene ergänzen. „Durch unseren gewerkschaftlichen Zusammenhang können wir da direkt einwirken,“ sagt er.

Das Projekt, das durch Fördermittel von Bund und EU sowie verschiedene Gewerkschaften finanziert wird, richtet sich auch direkt an MigrantInnen. Zum Angebot gehören Beratungen für migrantische ArbeitnehmerInnen, Jugendliche auf Ausbildungssuche, AsylbewerberInnen, Geduldete und Papierlose. „Gerade Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus“, sagt Bernau, „sind überproportional von Diskriminierung, etwa durch Lohnbetrug, betroffen.“ Zudem wolle man AusbilderInnen, BerufsschullehrerInnen und Betriebsräte stärker für die Problemlagen von MigrantInnen sensibilisieren. AG

Dienstag, 17 Uhr, DGB-Haus