Keine Fische im Ozean der Zukunft

FISCHFANG Kieler Wissenschaftler warnt vor Raubbau in Nord- und Ostsee: Die Fangquoten seien zu hoch. 90 Prozent der Bestände sind überfischt. EU will aber erst in zehn Jahren nachhaltig fischen lassen

„Die Erholung der Fischbestände wird über 30 Jahre dauern“

Rainer Froese, Fischereibiologe

Die Europäische Union wird ihr erklärtes Ziel, bis 2015 die Fischbestände für einen nachhaltigen Ertrag aufzubauen, nach Ansicht von Experten nicht erreichen. „Die Fangquoten für 2010 liegen wieder weit über den Mengen, die einen Aufbau der Bestände zulassen würden“, sagt der Fischereibiologe Rainer Froese vom Kieler Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“. Einer neuen Studie zufolge werden nur drei von 54 untersuchten Beständen nachhaltig bewirtschaftet.

Der Zustand von zwölf Beständen sei so schlecht, dass sie sich selbst bei Einstellung der Fischerei nicht bis 2015 erholen könnten, sagte Froese gegenüber der Deutschen Presseagentur. Laut ihrem Grünbuch Meere strebt die EU eine bestandsschonende Fischerei in Nord- und Ostsee erst für 2020 an. Zu spät, sagt Froese: „Beim gegenwärtigen Trend wird die Erholung der Fischbestände über 30 Jahre dauern.“

Im Dezember hatten die Fischereiminister der Europäischen Union die Fangquoten 2010 für die Nordsee beschlossen. Danach wird dort in diesem Jahr die erlaubte Menge bei Makrelen um 35 Prozent gesenkt. Die Fangquoten für Hering wurden um 20 Prozent gekürzt, die für Kabeljau, Schellfisch und Seezunge um 15 bis 35 Prozent. Für die Ostsee waren die Fangquoten bereits am 20. Oktober festgelegt worden. Danach wurden die Fangmengen 2010 für Hering um 16,5 Prozent gesenkt, die für Dorsch um bis zu 15 Prozent erhöht. Die Quoten für Sprotten und Lachs wurden um fünf Prozent gekürzt, Schollen dürfen im gleichen Umfang wie im Vorjahr gefischt werden.

Nach Ansicht von Umweltschützern sind in EU-Meeren fast 90 Prozent der Bestände überfischt, viele Populationen stehen am Rande des Kollapses. Der WWF und Greenpeace fordern deshalb, die alljährliche Quotenregelung durch Mehrjahrespläne zu ersetzen. Den Verbrauchern raten sie, ausschließlich Fisch aus nachhaltiger Fischerei zu kaufen – erkennbar am Siegel des „Marine Stewardship Council“ (MSC). SVEN-MICHAEL VEIT