„Hirseschüssel“ zerschlagen

BILANZ FDP-Minister Dirk Niebel findet, dass er die deutsche Entwicklungspolitik „effizienter“ gemacht hat. Über den Ärger in seinem Haus möchte er nicht reden

„Wir sind Marktführer der Entwicklung in der Welt“

DIRK NIEBEL, FDP

VON HANNA GERSMANN

BERLIN taz | Er wolle die Entwicklungspolitik aus der „Schlabberpulli-Ecke“ herausholen. Er wolle kein „Hirseschüssel-Ministerium“ haben, nicht das „Weltsozialamt“ sein. Dirk Niebel, FDP, seit 2009 Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, hat mehrfach gesagt, dass er sein Ressort radikal umbauen werde. Am Dienstag hat er das Weißbuch zur Entwicklungspolitik vorgestellt – seine Bilanz.

Niebel sagt: Er habe die „Zusammenarbeit mit der Wirtschaft gestärkt“, die „Effizienz gesteigert“, einen größeren Etat erkämpft. 10,2 Milliarden Euro flössen in die Entwicklungshilfe, das seien 0,38 Prozent des Bruttonationaleinkommens.

Damit ist Deutschland von seinen internationalen Zusagen zwar entfernt, denn eigentlich sollen bis zum Jahr 2015 die öffentlichen Ausgaben auf 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen. Niebel ficht das aber nicht an. Vor seiner Zeit habe die Quote nur bei 0,35 Prozent gelegen, sei also schlechter gewesen. Außerdem sei das „Ausgeben von viel Geld“ noch lange keine gute Entwicklungspolitik. „Das waren vier gute Jahre für Deutschland“, meint er. Das sehen nicht alle so.

Im Ministerium kursieren „Niebel-Tagebücher“, Titel: „Gelbfieber“. Es ist eine Anspielung darauf, dass Niebel FDP-Parteifreunde auf führende Posten gehoben hat. Auch eine Hausmitteilung, die als Absender den Namen von Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz trägt, ist Satire: „Wir sind dank des neuen Evaluierungsinstituts nunmehr in der Lage, uns sehr viel präziser zu irren.“ Beerfeltz hat Strafanzeige gegen unbekannt erstattet. Niebel gibt sich am Dienstag gelassen. Die Personaldebatte „langweilt“, sagt er. Sie sei Quatsch, er könne sich keine „Pfeifen“ leisten. Derartige Briefe und schlechte Stimmung gibt es auch in anderen Unternehmen. Sie wären tatsächlich nicht groß der Rede wert, wäre Niebels Ressortumbau nicht so umstritten.

Niebel hat im Ministerium zum Beispiel das Referat 111 „Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, Servicestelle“ eingerichtet. Vor allem hat er aber die staatlichen Entwicklungshilfeorganisationen zusammengelegt – den Deutschen Entwicklungsdienst (DED) mit der Bildungsagentur Inwent und der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Daraus entstand die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ. Am Anfang fanden die Fusion fast alle gut, auch die Opposition. Doppelte Arbeit, dreifache Strukturen sollten fortan vermieden werden. Mittlerweile zeigt sich: Es hakt.

Die Entwicklungshelfer, die einst der alte DED entsandte, machen zum Beispiel mit Greenpeace im brasilianischen Amazonas Kampagnen. Die einstigen GTZler beraten eher das Ministerium. Heute arbeiten sie beide für die GIZ. Doch der Umweltverband will gemeinhin ein Ministerium vor sich hertreiben. So sieht es so aus, als kämpfe ein GIZler gegen den anderen.

„Das können Sie niemandem im Partnerland erklären“, sagt einer, der seit Jahren in der Entwicklungshilfe arbeitet. Es gehe nicht zusammen. Die Zahl der entsandten Entwicklungshelfer ist bereits gesunken – früher waren gut 1.100 unterwegs, heute sind es knapp 600.

„Das war eine feindliche Übernahme durch die GTZ“, meinen ehemalige DEDler. Sie fühlten sich wie „Ossis nach der Wende“. „Das kann ich mir nicht erklären“, sagte Niebel am Dienstag dazu zur taz. Sein Haus tue „alles für die Integration“. Dann will er nicht weiter darüber reden. Er sagt lieber: „Wir sind Marktführer der Entwicklung in der Welt.“

Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) ließ Ende 2012 ein Projekt im weltgrößten Flüchtlingslager Dadaab in Kenia auslaufen: Die GIZ sei wegen ihrer hohen Verwaltungskosten zu teuer.