Beten statt arbeiten

Vom Aus für die Zeche Lohberg in Dinslaken sind 1.450 Kumpel betroffen – und ein Stadtteil, der seit 1905 von der Kohle gelebt hat. Proteste gegen die Schließung gab es trotzdem nicht

AUS LOHBERG ALEXANDER FLORIÉ

Die Zeche Lohberg/Osterfeld ist dicht. In der vergangenen Nacht hat die Nachtschicht die letzte Fuhre Kohle befördert. Die Deutsche Steinkohle AG hatte die vorgezogene Schließung im Oktober angekündigt: Die Zeche war ihr auf die Dauer zu teuer und zu wenig effizient. Von den 1.450 betroffenen Kumpel werden 1200 auf verschiede Zechen im Ruhrgebiet verteilt. Der Rest wird sich bis Ende 2006 mit den Rückbauarbeiten unter Tage beschäftigen.

Wenn Holger Gosch an das Ende „seiner“ Zeche denkt, wird er wehmütig: „Ich habe meine Ausbildung hier gemacht und war 23 Jahre lang auf der Zeche“, sagt der 40-Jährige. Mit 239 anderen Kollegen kommt Gosch auf die Zeche Prosper in Bottrop: „Bei fünf Millionen Arbeitslosen was Neues suchen, das ist mir zu unsicher“.

1905 wurde auf Lohberg der erste Schacht geteuft. Seit den Zwanziger Jahren wuchs die Lohberg-Siedlung – bis heute leben hier Polen, Türken, Deutsche und auch Südkoreaner. 1988 wurden die Schachtanlagen Lohberg und Osterfeld zusammengelegt – begleitet von Protesten. Für den damaligen Betriebsrat Heinz-Jürgen Schüring bleibt der Unter-Tage-Gottesdienst von 1996 in 850 Meter Tiefe als Höhepunkt der Bergmannkämpfe in Erinnerung: „Wir hatten Kerzen und Grubenlampen als Lichte, ein evangelischer und ein katholischer Priester haben gepredigt.“ Heute dagegen „passiert nichts“, meint die Blumenhändlerin Margret Wendray. „Die Leute haben sich damit abgefunden.“

Wie es mit Lohberg weitergehen soll, weiß so recht niemand. Einige Wohnungen stehen bereits leer, einige Kumpel werden noch gehen. „Das kann schon existenzbedrohend sein“, meint Günter Pillekamp, Betreiber der Kneipe „Am Schacht“ direkt gegenüber vom Pütt. Stadt Dinslaken und RAG-Immobilientochter MGG arbeiten zwar an einem Zukunftskonzept, das mit der bekannten Mischung aus Gewerbe, Wohnen und Freizeit den Stadtteil reanimieren soll. Aber erst muss die Fläche noch auf Altlasten untersucht werden – und es müssen Marktanalysen her. „Da werden noch zwei Jahre vergehen“, so MGG-Projektmanager Gisbert Terbach. Erste Ergebnisse sollen 2009 vorliegen.