Wehrmachts-Massaker

Ein italienisches Gericht will schleswig-holsteinischen Ex-SPD-Politiker wegen Kriegsverbrechen verhören

Der frühere schleswig-holsteinische SPD-Politiker und ehemalige Wehrmachts-Offizier Klaus Konrad soll sich im kommenden Jahr für seine mutmaßlichen Kriegsverbrechen in der Toskana vor einem italienischen Militärgericht verantworten müssen. Die Staatsanwaltschaft in La Spezia zeigte sich gegenüber einer italienischen Bürgerrechtsinitiative zuversichtlich, dass der lang erwartete Prozess am 17. Januar eröffnet werden kann. Bisher war unklar, ob die Anklage gegen den 91-Jährigen Bestand haben würde. Neben Konrad will die italienische Staatsanwaltschaft gegen den einzigen anderen noch lebenden Verantwortlichen – einen ehemaligen SS-Offizier aus Österreich – Anklage erheben. Außerdem nahm im Juni dieses Jahres die Staatsanwaltschaft Gießen Ermittlungen auf.

Konrad war Angehöriger des Regiments, das im zweiten Weltkrieg bei einem Massaker in einem Toskana-Dorf Zivilisten tötete und folterte. Am 13. Juli 1944 hatte der Regimentskommandeur einen Einsatz gegen Partisanen beschlossen, die sie im Dorf Pietramala wähnte. Binnen vier Stunden tötete die Wehrmacht vermutlich bis zu 61 Frauen, Kinder und alte Männer. „Um zwei Uhr nachts holten uns die Deutschen“, erinnert sich Giovanna Mori. Als junges Mädchen erlebte sie, wie ihr Vater mit mindestens 47 anderen zu einer Villa im benachbarten San Polo, wo der Regimentsstab residierte, verschleppt wurde. Der Stabsoffizier Klaus Konrad war einer von drei Befehlshabern, er leitete die „Verhöre“ im Weinkeller der Villa. Laut Ermittlungsakten folterte und vergewaltigte die Wehrmacht einige Gefangene. Am Nachmittag des 14. Juli befahlen die Offiziere die Hinrichtung. Santina Baldii erlebte sie als junges Mädchen: „Sie kamen in drei Gruppen. Die Hände waren hoch gehoben und gefesselt.“ Sie berichtet von drei ausgehobenen Gruben und davon, wie die Wehrmacht die Menschen mit gezielten Kopfschüssen und Maschinengewehrsalben erschoss.

Einige starben aber offenbar einen noch grausameren Tod. Als zwei Tage nach dem Massaker englische Truppen den Ort befreiten, stellten sie beim Bergen der Toten bei 16 Opfern fest, dass diese keine Schusswunden hatten. Sie waren lebendig begraben worden. Mit Sprengstoff zwischen den Leibern versuchte die Wehrmacht ihre Folterspuren zu verwischen, wie Konrad im vergangenen Jahr dem ARD-Fernsehmagazin Kontraste bestätigte.

Konrad lebte bis dahin unbehelligt in dem Ostseebad Scharbeutz. Für die SPD saß der Jurist im schleswig-holsteinischen Landtag. Von 1962 bis 1980 war er SPD-Bundestagsabgeordneter für Ostholstein. Zwischenzeitig war er auch Berater von SPD-Altkanzler Willy Brandt. Als seine Verstrickungen bekannt wurden, gab er seine SPD-Ehrenämter ab, sein Bundesverdienstkreuz 1. Klasse behielt er jedoch. Seine Schuldgefühle über das Geschehene halten sich in Grenzen. Gegenüber „Kontraste“ hatte Konrad erklärte: „Ich habe mich nie in der Sache schuldig gefühlt“. Nun bedauere er, „was damals passiert“ ist. Jedoch erst, wie er sagte, „seit die Italiener mich am Kanthaken haben“.

Andreas Speit