Samsung zieht den Stecker

Endgültige Entscheidung bei Samsung in Oberschöneweide: Die meisten Mitarbeiter werden entlassen, kriegen eine Abfindung und gehen in eine Auffanggesellschaft

Silvester steht vor der Tür, aber ein Feuerwerk wird es heute in Oberschöneweide nicht geben – höchstens ein wütendes. Die Proteste der Samsung-Belegschaft gingen gestern zu Ende, wie sie vor mehr als drei Monaten begonnen hatten: frostig. Zähneknirschend stimmte die Mehrheit der Beschäftigten des koreanischen Elektronik-Konzerns dem zuvor zwischen Gewerkschaft, Geschäftsführung und unabhängigem Schlichter ausgehandelten Sozialplan zu. Dessen Kernpunkte: Die Produktion wird eingestellt, von rund 800 Arbeitsplätzen verbleiben nur 90 am Standort, und die Entlassenen können vorübergehend in einer Beschäftigungsgesellschaft unterkommen. 2005 war Samsung kein Einzelfall: Mehrere Berliner Industriebetriebe – etwa JVC oder CNH – kündigten Schließungen an.

Bis zuletzt war Samsung bei den Sozialplanverhandlungen offenbar nach der Devise vorgegangen: Friss oder stirb! Gegen einen Schlichterspruch, der ein besseres Angebot beinhaltet hätte, wäre Samsung juristisch vorgegangen, so der Berliner IG-Metall-Sprecher Klaus Wosilowski gestern. „Das hätte bis zu zwei Jahre dauern können.“ Auch von politischer Seite war die Samsung-Belegschaft unter Druck geraten. Weil zum 1. Januar 2006 die steuerliche Freistellung von Abfindungen ausläuft, musste noch rasch vor dem Jahreswechsel eine Einigung gefunden werden.

Konkret sieht der Sozialplan so aus: Bis zum 31. März 2006 bleiben alle Samsung-Mitarbeiter weiter beschäftigt, danach kommen die Kündigungen. Wer keinen anderen Job findet, kann in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft wechseln. Je nach Alter bleiben die Beschäftigten so ein bis zwei Jahre einigermaßen abgesichert und verdienen 80 Prozent des bisherigen Nettolohnes. Ein Großteil dieses Lohnes zahlt allerdings nicht Samsung, sondern die Arbeitsagentur. Zudem haben die Entlassenen Anspruch auf Abfindungen. Insgesamt macht Samsung nach Gewerkschaftsangaben rund 60 Millionen Euro für den Sozialplan locker; 2,5 Millionen Euro mehr als zuletzt geboten.

„Zum Feiern ist hier niemandem zu Mute“, sagte gestern, sichtlich mitgenommen, der Betriebsratschef Wolfgang Kibbel. „Den Kampf um die Arbeitsplätze haben wir verloren.“ Ganz umsonst seien die vielen Protestaktionen der Belegschaft aber nicht gewesen. „Ohne zu kämpfen, hätten wir materiell noch weniger bekommen.“ Zudem blieben nun 90 Samsung-Jobs in Service, Vertrieb und Forschung in Schöneweide. Ursprünglich sollten es 45 sein.

Samsung hatte im September bekannt gegeben, die Bildröhrenproduktion in Oberschöneweide zum Jahresende einzustellen. Der Konzern hatte dies mit einem stark zurückgehenden Bedarf in Europa begründet; Gewerkschaft und Betriebsrat favorisierten deshalb weiter entwickelte Produkte. Sie stießen damit aber im Konzern auf taube Ohren. Pikant außerdem: Samsung bleibt in Oberschöneweiden keinen Tag länger, als der Konzern rechtlich verpflichtet ist. Berlin hatte dem Konzern mit Millionen-Subventionen geholfen. Sie waren an den Erhalt der Arbeitsplätze bis Ende 2005 gekoppelt. Berliner, die dies im Hinterkopf behalten, dürften sich in Zukunft dreimal überlegen, ob sie ein Handy oder einen Flachbildschirm von Samsung kaufen. RICHARD ROTHER