Paarlauf mit Pass

Aljona Sawtschenko ist Deutsche, Robin Szolkowy darf nach Turin und die Eiskunstlaufgemeinde ist glücklich

BERLIN taz ■ Robin Szolkowy neigt nicht zu Übertreibungen, so viel steht fest. Die ganze deutsche Eislauffamilie weiß sich angesichts eines kleinen roten Dokuments mit Bundesadler vor Freude kaum zu fassen, doch er beantwortet die Frage, was sich nach der Einbürgerung seiner Partnerin Aljona Sawtschenko ändern werde, mit den Worten: „Ach, nicht viel. Jetzt haben wir ein bisschen mehr Stress im Februar.“ Ja, darauf läuft es wohl hinaus. Denn nun ist der Weg zu den Olympischen Spielen für die alten und neuen Deutschen Meister im Paarlauf frei – und die Aussichten sind grandios.

Wie es sich für eine gute Paarlaufgeschichte gehört, handelt auch diese von Geben und Nehmen, von der Macht des Zufalls und von zwei Menschen, die sich ergänzen. Ohne Aljona Sawtschenko, die vor zweieinhalb Jahren auf Vermittlung eines deutsch-russischen Fotografen bei der Suche nach einem neuen Paarlaufpartner in Chemnitz gelandet war, hätte Szolkowy nie erfahren, was in ihm steckt. Damals war er nach einer unvollendeten Karriere nur noch sporadisch Gast im Eislaufzentrum und schuftete nebenbei für eine Zeitarbeitsfirma im Schichtdienst. Aber die Chemie mit der zierlichen, voller Energie steckenden 21-Jährigen aus der Ukraine stimmte vom ersten Moment an. Es sah so aus, als seien sie füreinander bestimmt. Und es klingt gut, wenn Szolkowy heute sagt: „Seit Aljona da ist, haben die letzten 20 Jahre, in denen ich Eislaufen ein bisschen geübt habe, einen Sinn.“

Aber, und das gibt der Verbindung eine eigene, feine Note, ohne den wach geküssten Partner hätte Sawtschenko den deutschen Pass zumindest zum jetzigen Zeitpunkt wohl nicht bekommen. In der Begründung des sächsischen Innenministers, Albrecht Buttolo, für die vorzeitige Einbürgerung nach nur zweieinhalb Jahren heißt es unter anderem, eine Ablehnung des Antrages hätte eine erhebliche Benachteiligung des deutschen Staatsbürgers Szolkowy dargestellt, der ohne die Partnerin nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen könne, obwohl er die Qualifikationsnorm für die Teilnahme erfüllt habe. „Ein sehr interessanter Satz“, sagt Szolkowy. Und lächelt still.

Keine Frage, der Minister Buttolo hat nicht nur eine Frau und einen Mann, sondern auch deren Trainer und einen ganzen Sportverband glücklich gemacht. DEU-Präsident Reinhard Mirmseker versichert, er wisse, dass in diesem Fall eine Ausnahme von der Ausnahme gemacht worden sei, und deshalb könne er mit größter Freude nur sagen: „Hut ab und danke schön.“ Für eine Entscheidung, die dem klammen Verband Hoffnung auf größere Wahrnehmung, vor allem in den elektronischen Medien, und auf das Interesse dringend benötigter Sponsoren macht.

Warum sich alle, von den Spitzen diverser Sportverbände bis hin zur berühmtesten Chemnitzerin, Katarina Witt, so sehr ins Zeug gelegt haben für dieses Paar, das kann man dieser Tage bei den Meisterschaften in Berlin besichtigen. Es hatte von Anfang an keinen Zweifel gegeben, dass Sawtschenko/Szolkowy ihren Titel verteidigen würden, denn der Abstand zu den nationalen Konkurrenten ist riesengroß. Wenn sie sich umkreisen, sieht es so aus, als spielten sie mit ihrer Anziehungskraft – mit der eigenen wie der des Eises. „Die beiden haben das gewisse Etwas“, beschreibt es Trainer Ingo Steuer, „wo man sich sagt: Da muss ich einfach hinsehen.“ Sawtschenkos Energie wird von Szolkowy mit sanfter Hand gelenkt und als Zuschauer wünscht man sich, der Lauf möge kein Ende nehmen.

Und dabei ist das ja erst ein Anfang. „Die beiden sind auf einen D-Zug aufgesprungen“, sagt Steuer, „und es ist noch keine Haltestelle in Sicht.“ Er selbst hat keine Zweifel, wohin all das führen kann, sowohl bei den Europameisterschaften Mitte Januar in Lyon als auch ein paar Wochen später in Turin. Er glaubt, außer Platz eins sei alles möglich, denn nur die Weltmeister Totmianina/Marinin liefen in einer anderen Liga. Doch die Russen sind derzeit verletzt, und im Moment ist noch nicht absehbar, wann und wo sie wieder auftauchen werden. Sieht also ganz danach aus, als stünden schöne, spannende Wochen mit der neuen deutschen Bürgerin Aljona Sawtschenko und dem Sachsen Robin Szolkowy bevor. Mit ein bisschen mehr Stress natürlich, aber das haben sie ja gewollt.

DORIS HENKEL