Exdiktator auf der Flucht

PAKISTAN Pervez Musharraf gerät zunehmend unter Druck der Justiz. Ein Gericht entzog ihm das freie Geleit gegen Kaution – und er entzog sich der Haft durch Flucht in seine Villa

Es wäre eine Schmach für das Militär, seinen Exchef verhaftet oder gar verurteilt zu sehen

AUS ISLAMABAD ELIANE ENGELER

So hatte sich der ehemalige Militärmachthaber seinen Neustart in der Politik nicht vorgestellt. Er war letzten Monat aus rund vier Jahren selbst auferlegtem Exil zurückgekehrt und hatte angekündet, Pakistan vor dem wirtschaftlichen Absturz und der Belagerung durch religiöse Extremisten retten zu wollen. Unter der Flagge seiner eigenen Partei, All Pakistan Muslim League, wollte er zu den Parlamentswahlen im Mai antreten. Doch die Wahlkommission ließ den Exgeneral wegen diverser Justizverfahren gegen ihn nicht zu. Und am Donnerstag hat ein Gericht in Islamabad seine Verhaftung angeordnet.

Begleitet von seinen Leibwächtern verließ Musharraf nach der Entscheidung fluchtartig das Gerichtsgebäude und begab sich in seine Villa in einem Vorort von Islamabad. Die Sicherheitskräfte machten keine Anstalten, ihn zu verhaften. Musharraf genießt den Schutz des Militärs, das seinen Exchef nicht sogleich fallen lassen will.

Kurz nach dem Gerichtsentscheid versammelten sich für ein paar Stunden Hunderte von Musharraf-Fans sowie Gegner auf den Weg zu seinem Villenvorort. Doch die Zugangsstraße zu seiner Luxusvilla war von der Polizei abgesperrt worden. Musharrafs Leibwächter, die einer paramilitärischen Einheit angehören, umstellten sein Haus.

Gegen Musharraf laufen drei Gerichtsverfahren, in denen er bislang auf Kaution frei gewesen ist. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, im Jahr 2007 verfassungswidrig den Notstand verhängt zu haben und den Obersten Richter unrechtmäßig abgesetzt zu haben. Zahlreiche Anwälte führten damals Massenproteste gegen Musharraf an. Unter ihnen war auch jener Richter, der jetzt den Haftbefehl gegen den Exdiktator anordnete. Musharrafs Anwälte legten sogleich beim Obersten Gericht Berufung ein. Doch der oberste Richter ist noch immer Iftikhar Muhammad Chaudhry, den Musharraf damals suspendiert hatte. Er wird dem Antrag wohl kaum stattgeben.

Musharraf genießt bisher den Schutz des Militärs, was ihn vor einer Verhaftung bewahrt. Die Armee, die im Hintergrund weiterhin Pakistans Sicherheits- und Außenpolitik bestimmt, lässt in der Regel Exgeneräle nicht fallen. Es wäre eine Schmach für das Militär, seinen ehemaligen Chef verhaftet oder gar verurteilt zu sehen.

„Musharraf kehrte mit Einwilligung der Armee nach Pakistan zurück, und der Zusicherung, dass sie ihn unterstützen wird“, sagt Politikanalyst Ayaz Amir. Die zivilen Ordnungskräfte und die Regierung wüssten genau, von wem Musharraf unterstützt werde, und wagten deshalb nicht, ihn zu verhaften, sagt er der taz. „Es wäre gut, wenn Musharraf für seine Verbrechen belangt würde. Das wäre historisch. Aber ich glaube nicht, dass es geschehen wird.“ Manche Beobachter vermuten, dass Musharraf jetzt de facto unter einen Hausarrest gesetzt wird.

Für die am 11. Mai angesetzten Wahlen werden seiner im Exil gegründeten Partei kaum Chancen eingeräumt. Musharraf hat zu viele Feinde, und es fehlt ihm auch an einen soliden landesweiten Parteibasis.

Nicht nur Anwälte und Richter hegen großen Groll gegen Musharraf, sondern auch viele einfache religiöse Bürger. Denn sie werfen ihm die Tötung von mehr als 60 Menschen vor, die bei der Beschießung der Roten Moschee in Islamabad 2007 ums Leben kamen, wo radikalislamische Studenten den Aufstand probten. Und die pakistanischen Taliban hassen Musharraf, weil er sich im Kampf gegen Terroristen mit den USA verbündete. Sie kündigten schon vor seiner Rückkehr an, dass Mordkommandos für den Exgeneral unterwegs seien. So dürfte der 69-Jährige kaum mehr als das Symbol einer Militärdiktatur bleiben.

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