NÜRNBERG – WELTOFFENE MENSCHEN, MIT EINER AUSNAHME
: Heimat eines Rasenstücks

Im Jahre 1924 fuhr die deutsche Fußball-Nationalmannschaft per Zug von Nürnberg nach Amsterdam. Kuriosum Nummer 1: Das Team bestand nur aus Spielern des 1. FC Nürnberg und der Spielvereinigung Fürth. Kuriosum Nummer 2: Die Kicker würdigten sich keines Blickes und fuhren in strikt getrennten Waggons. Kuriosum Nummer 3: Auf dem Platz verstanden sie sich blendend und besiegten die Niederlande mit 1:0. Dann ging’s wieder auf die Heimreise – getrennt natürlich.

Zuweilen also ist der Nürnberger etwas verschlossen, aber so gibt er sich eigentlich nur gegenüber dem ungeliebten Nachbarn aus Fürth. Ansonsten ist er ein prinzipiell weltoffener Mensch. Und bei der WM, beim Nürnberger Mix aus Teams und Fans, kommt seine Neugier nicht zu kurz. Hier trifft Mexiko auf den Iran, England auf Trinidad & Tobago, Japan auf Kroatien und Ghana auf die USA. Dazu gibt’s noch ein Achtelfinale – vielleicht mit unseren Freunden aus Holland. Die fränkischen Fans jedenfalls sind längst in WM-Form. In ihrer Begeisterung hüpften sie zuletzt so ekstatisch, dass sie den Beton in Block 8 in echte Schwingungen versetzten. Der wird jetzt stabilisiert.

Und von wegen nur Christkindlesmarkt, Lebkuchen oder „Drei im Weggla“, wie die drei Bratwürste im Brötchen heißen – auch kulturell hat die Stadt ihren Gästen einige Besonderheiten zu bieten: das Germanische Nationalmuseum, das Reichsparteitagsgelände mit dem neuen Dokuzentrum oder das Spielzeugmuseum. In der Tradition seines berühmten Sohnes Albrecht Dürer, der mit einem ebenso berühmten Aquarell erstmals in der Kunstgeschichte den Rasen thematisierte, präsentiert Nürnberg zudem – aber so was von passend zum Fußball – „Das große Rasenstück“, eine Open-Air-Ausstellung mit Werken internationaler Künstler.

Im Juni heißt es also „Die Welt zu Gast bei Franken“. Kein Zweifel, die Gäste werden hier ihren Spaß haben. Und die Einheimischen ebenfalls. Zumal, wenn ihr „Club“ in der Bundesliga bleibt und die Fürther – derzeit Dritter in Liga zwei – ebenfalls den Klassenerhalt schaffen. KLAUS SMENTEK

Der Autor ist stv. Chefredakteur des Sportmagazins Kicker