Weiterschießen!

USA Sieg für die Waffenlobby, Niederlage für Präsident Obama: Der Senat stimmt alle Vorschläge für neue Waffengesetze nieder

■ Die US-Bundespolizei FBI hat einen Mann aus Mississippi im Zusammenhang mit den mutmaßlichen Giftbriefen an Präsident Barack Obama und andere US-Politiker festgenommen. Paul Kevin Curtis sei am Mittwoch in seinem Haus in Corinth gefasst worden, teilte das Justizministerium am Mittwoch mit. In Ermittlungskreisen hieß es, vermutlich handle es sich um denselben Kevin Curtis, der 2007 in wütenden Internet-Postings ähnliche Formulierungen benutzt habe, wie sie in den Schreiben zu finden seien. Die Briefe sollen das tödliche Gift Rizin enthalten haben. (rtr)

VON BERND PICKERT

BERLIN taz | Seit dem Massaker Ende Dezember in der Grundschule von Newtown hatte US-Präsident Barack Obama auf schärfere Waffenkontrollgesetze gedrängt. Wochenlang war im Senat gearbeitet worden, um einen tragfähigen Kompromiss herauszufiltern. Am Donnerstag war die Abstimmung, und herausgekommen ist: nichts. Nicht ein einziges der Gesetze fand die notwendige Mehrheit. „Ein beschämender Tag für Washington“ befand Obama in einer kurzen Stellungnahme nach der Abstimmung.

In der vergangenen Woche hatte sich der Senat geeinigt, die Abstimmung überhaupt zu ermöglichen. Der Haken: Der Senat legte gleichzeitig fest, dass für die Verabschiedung der einzelnen Maßnahmen eine Mehrheit von 60 Stimmen notwendig wäre, was eigentlich nicht vorgesehen ist. Und so hielt die Sperrminorität: Die Einführung flächendeckender Hintergrundchecks bei allen Waffenverkäufen, egal wo sie stattfinden, erhielt nur 54 Stimmen, 46 SenatorInnen stimmten dagegen. Neben 90 Prozent der republikanischen SenatorInnen schlossen sich auch vier DemokratInnen dem Nein an.

Und so stimmte der Senat nieder, was in der US-Bevölkerung inzwischen einigermaßen unstrittig ist: Rund 80 Prozent aller US-AmerikanerInnen befürworten laut Umfragen umfassende Hintergrundchecks, mit denen sichergestellt werden soll, dass Waffen weder an Vorbestrafte noch an geistesgestörte Personen verkauft werden dürfen. Solche Checks gibt es in Waffenläden – nicht aber bei Waffenmessen, Privat- und Internetverkäufen. Das sollte mit dem neuen Gesetz anders werden.

Ursprünglich hatte Obama viel weiter reichende Maßnahmen durchsetzen wollen, darunter das Verbot von Sturmgewehren und großen Magazinen. Früh war abzusehen, dass es schwierig werden dürfte, dafür ausreichende Mehrheiten zu finden. Mit der Idee, wenigstens die Hintergrundchecks durchzubringen, waren diese Maßnahmen dann extra zur Abstimmung gestellt worden – und fanden nicht einmal eine einfache Mehrheit. Für ein Sturmwaffenverbot sprachen sich lediglich 40 SenatorInnen aus, 60 stimmten dagegen. Große Magazine, die Schützen bei Amokläufen ermöglichen, viele Menschen zu erschießen, ohne nachladen zu müssen, wollten nur 46 SenatorInnen verbieten, 54 lehnten ein Verbot ab. Der Vorschlag zweier Senatoren, illegalen Waffenhandel und Waffenverkäufe an „Strohmänner“ stärker zu ahnden, fand knapp nicht die erforderliche Mehrheit. Abstimmungsergebnis: 58:52.

„Die Senatoren sind eine Schande für dieses Land. Ich hasse sie“

PATRICIA MAISCH, ATTENTATSZEUGIN

Das Resultat der Abstimmungen bedeutet einen glatten Sieg der Führung der National Rifle Association (NRA), also der nationalen Waffenlobby. Zwar befürworten selbst 72 Prozent der NRA-Mitglieder flächendeckende Hintergrundchecks. Unbeirrt davon aber startete die Organisation eine beispiellose Kampagne, um die SenatorInnen unter Druck zu setzen – mit Erfolg.

Als Vizepräsident Joe Biden die Abstimmungsergebnisse vortrug, waren zwei laute Frauenstimmen zu hören. „Shame on you!“ – „Schämt euch!“, riefen Patricia Maisch und Lori Haas aus dem Zuschauerraum. Maisch hatte 2011 mitgeholfen, den Schützen zu überwältigen, der die Abgeordnete Gabby Giffords in Tucson schwer verletzt und etliche Menschen getötet hatte. Lori Haas’ Tochter war 2007 beim Massaker in der Virginia Tech University angeschossen worden. Die Senatoren „sind eine Schande für dieses Land“, sagte Maisch, als Polizisten sie aus dem Gebäude führten. „Ich hasse sie.“