Kurzkritik: „Romeo und Julia“, Deutsches Schauspielhaus
: Madige Verhältnisse

Auf der Bühne steht ein schwarzer Quader. Langsam hebt er sich und gibt den Blick darauf frei, was unter ihm ist. Es sind Menschen, die sich aneinander schlängeln, kopflos und weiß, wie Maden. Als sie sich aus der Grube erheben, teilen sie sich in zwei Lager: Die einen gehören zur Familie der Capulets, die anderen zu der Familie der Montagues. Jene beiden Familien, die sich bis auf den Tod nicht ausstehen können.

Es ist dieses erste Bild, das sich am Ende der „Romeo und Julia“-Inszenierung noch einmal wiederholt. Der Quader ist am Ende der Sarg, auf dem das tote Liebespaar liegt. Die madigen Familien bilden die Grundlage, auf der der Doppelselbstmord zu Stande kommen konnte.

Es bleibt das einzige Bild, das sich im Gedächtnis festsetzt an diesem Abend. Romeo und Julia sind als moderne Charaktere gezeichnet: sie selbstbewusst, er etwas tolpatschig. Bühnenbild und Kostüme bleiben reduziert. Den Text hat Regisseur Klaus Schumacher auf Verständlichkeit hin bearbeitet. Und er hat manche Szenen mit Musik unterlegt, die die emotionale Komponente des Geschehens doppelt. Das erinnert an Hollywood-Kino, wenn auch Schumachers Musik interessante Musik ist.

Das Karge der Inszenierung appelliert an die Fantasie und steht in einem gelungenen Verhältnis zum Ausgemalten, das auf Vereinfachung zielt. Bei einem Erstkontakt mit „Romeo und Julia“ wird das wunderbar funktionieren. Wer aber das Stück schon kennt, fühlt sich schnell unterfordert. Dann bleibt nicht viel – bis auf dieses eine Bild. KLAUS IRLER

nächste Vorstellungen: 30. 1. und 6. 2., 20 Uhr, Schauspielhaus