Der stille Grüne

FRANZ SCHULZ GEHT

Den früheren Hausbesetzer merkt man Franz Schulz nicht an. Den promovierten Physiker schon eher. Stets ruhig, ja spröde hört man den Bürgermeister sprechen. Sieht ihn, auch inmitten größter Tumulte, grübelnd in die Ferne schweifen. Genauso ruhig tritt Schulz jetzt auch ab. Ende Juli höre er auf, sagte der 64-Jährige am Mittwoch. Aus gesundheitlichen Gründen. Was genau das heißt, sagte Schulz natürlich nicht.

Dabei ist dem Mann, einzig grüner Bürgermeister der Stadt, bei aller Bedächtigkeit gelungen, den gänzlich unbedächtigen Ruf Friedrichshain-Kreuzbergs zu festigen. Denn hinter der stoischen Fassade agierte doch immer noch ein Stück Besetzer.

Beim Bethanien kippte Schulz die Räumungslinie und legalisierte die Besetzer. Den streikenden Flüchtlingen, in Mitte vertrieben, gewährt er seit Monaten Obdach. Yaam und Prinzessinnengarten rettete Schulz. Am Spreeufer schwenkte er 2008 auf Linie des Bürgerentscheids, verhandelte manchen Ufer-Klotz weg. Den jüngsten Aufstand an der East Side Gallery löste auch Schulz mit aus, als er den Hinkel-Turm als „meistgehasstes Projekt“ schimpfte. Und bei der A 100 sträubte sich niemand länger gegen den Weiterbau, drohte Schulz gar mit Parteiaustritt, sollten die Grünen hier einknicken.

Sicher: Kreuzberg ist auch nach sieben Jahren grüner Regentschaft weit entfernt von einer Öko-Insel. Die Mieten steigen trotz Schulz’ Anti-Gentrifizierungs-Rhetorik. Und nicht wenige halten dem Bürgermeister vor, Entscheidungen allzu selbstherrlich zu fällen. Und doch hat heute kein Bezirk ein derart eigenes Profil wie die bunte Republik Friedrichshain-Kreuzberg. Am ehesten noch Neukölln. Mit einem Unterschied: Dort profilierte sich Rathauschef Buschkowsky vor allem zu eigenen Gunsten.

Schulz dagegen konnte den großen Auftritt nie. Und ließ damit umso mehr den Bezirk hervortreten. Für einen Ex-Besetzer legte er eine erstaunliche Pragmatik hin. Statt mit Dienstwagen kam er mit Fahrrad zu Terminen. Und niemand sonst kultivierte den Runden Tisch wie er, sobald nur irgendwo ein Konflikt auftauchte. Damit schaffte Schulz am Ende zumindest eines: zu zeigen, dass auch die vielgeschmähte Bezirkspolitik anders kann. KONRAD LITSCHKO