LESERINNENBRIEFE
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Wer hat die Partei herbeihalluziniert?

■ betr.: „Die 1-Mark-Partei“, taz vom 15. 4. 13

Ich muss nicht vorweg sagen, dass mir die politische Mischung dieser neuen Mittelschichtspartei nicht behagt. Wir haben in Deutschland mit radikalisierten Mittelschichten allerschlechteste Erfahrungen gemacht. Allerdings, wer hat denn diese Partei geradezu herbei halluziniert? Eine versagende Linke – wenn man bei der SPD und den Bionadegrünen, der Kuschelpartei der neuen Mitten, überhaupt noch von linken Parteien reden kann – hat den Nährboden für dieses unappetitliche neue Pflänzchen bereitet. Einzig die Linkspartei löckt noch in Teilen wider den Stachel. Deren höheres Funktionärs- und Mandatsträgerlager täte nichts lieber, als mit SPD und Grünen ins gut gepolsterte Koalitionsbett zu steigen. Einzig der althergebrachte Antikommunismus der Alt-Bundesrepublikaner verhindert noch ein solches glitschiges Bündnis auf Bundesebene. Apropos: wer die Tagesschau gestern Abend gesehen hat, bekam einen Eindruck, wie weit die Desinformationskampagne des Kapitallagers in den Monaten bis zur Bundestagswahl noch zu gehen bereit ist. Dann lieber eine Einemarkpartei als die Macht der Achtgroschenmedien. HANS-JÜRGEN MICHEL, Schwerin

Hintergründe ignoriert

■ betr.:„SPD-Wald zementiert Vertreibung“, taz vom 15. 4. 13

Unglaublich, wie Sie die Hintergründe der Baumpflanzung im Negev ignorieren. Es geht um die Vertreibung palästinensischer Beduinen aus den fruchtbarsten Gegenden des Negev, die seit 1948 mit verschiedenen Mitteln betrieben wird. Zusagen des israelischen Staates, dass sie als loyale Bürger, die auch in der Armee dienen, auf ihrem Land bleiben könnten, wurden nicht eingehalten.

In den Planstädten, die zur besseren Kontrolle der Beduinen alle um Beer Sheva herum errichtet wurden, gibt es keine Arbeitsplätze oder soziale Einrichtungen, die Infrastruktur ist äußerst mangelhaft, es ist kein Land für Viehhaltung vorhanden. Die Beduinen fristen dort ein kümmerliches und perspektivloses Dasein.

Beduinen sollen jetzt neben die städtische Mülldeponie von Jerusalem angesiedelt werden, einem Ort, der schon wegen der Dämpfe und Gerüche von der Mülldeponie gesundheitsschädlich ist. Sie verlieren ihre Felder und die Möglichkeit Vieh zu halten und müssen ihre bisherige Lebensweise und Kultur aufgeben. Dass die SPD all dies mit dem Geschenk eines Waldes auf palästinensischem Boden mitunterstützt, ist für die betroffenen Menschen eine Katastrophe.

KARIN NEUBAUER, München

Rentenprivatisierung schreitet voran

■ betr.: „Jeder und jedem nach eigener Fasson“, taz vom 18. 4. 13

Die Idee, das Rentensystem insgesamt umzubauen und einen neuen „großen Wurf“ zu wagen, den träumen auch die neoliberalen Eliten – aber nicht im Sinne der taz.

Unter dem Deckmantel der Solidarität wird in allen großen Parteien der allgemeinen 850-Euro-Rente das Wort geredet. Was dahinter steckt, lässt sich jetzt an den Parteitags-Anträgen zum Bundestagswahlprogramm der BAG Soziales der Grünen besichtigen, vermutlich mit Unterstützung des Bundesvorstandes: ein Umstieg auf ein Dreisäulenmodell in der Rente. Also ein bisschen Basisrente für alle (1. Säule), und dann hilf dir selbst, denn sonst hilft dir nur noch Gott. Die Bevölkerung könnte so dem Kapitalmarkt komplett ausgeliefert werden, mit kapitalgedeckten „2. und 3. Säulen“, die immer noch unter der Bankenkrise wackeln.

Die Privatisierung der Renten schreitet voran, denn sie ist ein Bombengeschäft – nur nicht für die Kleinsparer . In allen privatisierten Systemen nehmen die Ungleichheiten nochmal zu. Die alten Ungerechtigkeiten sollen durch ganz neue Ungerechtigkeiten abgelöst werden.

Pensionsfondsverwalter reiben sich schon die Hände, angesichts der enormen politischen Macht die ihnen in einem System zuwächst, das die komplette Altersvorsorge von der Rendite und vom Wachstum abhängig macht. Das ist dann das Ende jeder Wachstumskritik. Ade lieber blauer Planet! MICHAH WEISSINGER, Essen