Der Traum vom Krieg ohne Risiko

FORDERUNG Maschinen dürfen niemals über den Einsatz von Gewalt gegen Menschen entscheiden. Deshalb: Autonome Angriffswaffen ächten

■ ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität der Bundeswehr München und Mitglied im International Committee for Robot Arms Control (Icrac)“.

VON FRANK SAUER
UND NIKLAS SCHÖRNIG

Nun gibt es vor der Bundestagswahl also doch keine Entscheidung über die Beschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr. Das ist gut. Diese Entscheidung stellt eine weitreichende politische Weichenstellung dar. Sie will gründlich und verantwortungsbewusst diskutiert sein. Denn uns droht das Betreten einer schiefen Ebene.

Ein gewichtiges Argument haben Drohnenbefürworter auf ihrer Seite: Wo keine Pilotin mitfliegt, kann auch keine Pilotin sterben. Eine Drohne schützt ihr Leben. Das stimmt. Drohnen können auch Soldaten am Boden helfen. Etwa in Afghanistan, wohin Deutschland die Bundeswehr entsandt hat. Sie verdienen selbstverständlich Schutz.

Kritiker machen sich unglaubwürdig, wenn sie dies ignorieren. Befürworter machen es sich hingegen viel zu einfach, wenn sie denken, damit sei schon alles gesagt. Denn die bereits jetzt absehbaren Probleme, die bewaffnete Drohnen erzeugen, sind zahlreich. Erstens birgt die Trennung von Pilotin und Kampfgeschehen eine Ambivalenz. Mit Drohnen ist militärische Gewaltausübung bei nahezu vollständiger Risikolosigkeit möglich geworden. Doch dies ist nicht nur Segen, sondern auch Fluch. Fluch, weil Entscheidungsträger sich womöglich schneller für militärische Gewalt entscheiden, wenn mit dieser weniger politische Kosten einhergehen. Das ist keine Unterstellung finsterer Absichten. Es ist die Einsicht in die Größe der Versuchung. Wenn die Allianzpartner bitten, die Regierung drängt, wer wollte die Parlamentarier verurteilen, die sich dem Druck beugen und die Entsendung der Drohnenflotte mandatieren? Schließlich ist ein Militäreinsatz vor der Öffentlichkeit leichter zu rechtfertigen, wenn keine Soldaten mehr Leib und Leben riskieren müssen.

Zweitens verbreitet sich die Drohnentechnologie rasant. Schon jetzt verfügen mehr als 70 Staaten über unbemannte, meist jedoch unbewaffnete Systeme. Statt diese Rüstungsdynamik weiter zu beschleunigen, wäre Rüstungskontrolle vernünftiger. Drittens darf man die abschreckende Wirkung bezweifeln, die manche sich von den rund um die Uhr lauernden Drohnen erhoffen. Eher scheint das Gegenteil plausibel: Gegen technologisch unterlegene Gegner eingesetzt, schüren Drohnenangriffe Konfliktasymmetrie und Ressentiments, die die Spirale der Gewalt verschärfen.

Weitere Probleme, die heute noch niemand in Gänze überblickt, ergeben sich schließlich aus dem technologischen Fortschritt. Noch entscheidet über den von einer Drohne ausgehenden Waffeneinsatz ein Mensch. Die militärische Logik legt jedoch nahe, dass sich derjenige im Kampf einen Vorteil verschafft, der Entscheidungen nicht vergleichsweise langsamen Menschen, sondern in Millisekunden reagierenden Maschinen überlässt. Wer auf diesen Vorteil nicht verzichten möchte, muss nachrüsten.

■ ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung und Lehrbeauftrager an der Goethe-Universität Frankfurt.

Wer ist verantwortlich, wenn beim Einsatz autonomer Waffensysteme Unschuldige sterben? Auf diese Frage gibt es bisher keine schlüssige Antwort. Völkerrechtlich und ethisch würden solche Systeme Blindflug bedeuten. Selbst unter Experten herrscht vor allem eins: Ratlosigkeit – gepaart mit dem Gedanken an eine buchstäblich entmenschlichte Kriegsführung.

Am 23. April startet in London die „Campaign to Stop Killer Robots“, die sich gegen autonome Waffensysteme ausspricht. Sie wird die Debatte sicher beleben. Wir wären in Deutschland schon jetzt gut beraten, angesichts der genannten Probleme und Unwägbarkeiten vier Forderungen zu bedenken.

Erstens sollten Entwicklung und Einsatz autonomer Angriffswaffen verboten werden. Deutschland muss präventiv ein internationales Abkommen zur Ächtung solcher Systeme anstreben. Maschinen dürfen niemals über den Einsatz von Gewalt gegen Menschen entscheiden.

Zweitens sollte Deutschland die Kampfdrohnenbeschaffung überdenken. Denn hier droht der Schritt auf die schiefe Ebene, hin zu autonomen Systemen. Entscheidet sich eine neu gewählte Regierung für Kampfdrohnen, so muss sie nicht nur das Verbot autonomer Angriffswaffen forcieren, sondern sich auch den Folgeproblemen stellen. Etwa, indem Deutschland auch für Rüstungskontrolle von (nichtautonomen) unbemannten Waffensystemen eintritt, um deren Verbreitung einzudämmen.

Am 23. April startet in London die Kampagne „Campaign to Stop Killer Robots“, die maßgeblich von Human Rights Watch und dem International Committee for Robot Arms Control (Icrac) getragen wird. Gallionsfigur ist Jody Williams, die 1997 den Friedensnobelpreis für ihre Kampagne gegen Landminen bekam. Diese Initiative will davor warnen, dass die Militärforschung automatisierte Waffensysteme entwickelt. Die Entscheidung darüber, wer wann wo getötet wird, dürfe nicht vom Menschen auf ein Computerprogramm übergehen.

Sinnbild dieses Prozesses der Automatisierung ist die Kampfdrohne, die von den USA und Israel seit Jahren eingesetzt wird. In Deutschland will die Regierung auch bewaffnete Drohnen kaufen. Dagegen haben sich hierzulande bereits die Friedensforschung, die organisierte Friedensbewegung, die Linkspartei und die Grünen ausgesprochen. Jetzt versucht die Regierung, das Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten. (uwi)

Drittens müssen dann auch strikte, selbstverständlich völkerrechtskonforme Einsatzrichtlinien formuliert und veröffentlicht werden. Drohnengebrauch muss begrenzt, transparent und überprüfbar sein. Eine entsprechende Doktrin könnte die Bundesregierung auch mit Nato-Partnern abstimmen.

Viertens sollte Deutschland zur teils völkerrechtswidrigen US-Einsatzpraxis von Drohnen Stellung beziehen.

Unbesonnen zu rüsten in eine unwägbare Zukunft voll unbemannter, möglicherweise autonom Gewalt anwendender Waffensysteme, das wäre ethisch inakzeptabel, politisch unklug und sicherheitsstrategisch unüberlegt. Es wäre verantwortungslos.