Der Denker

Mittelfeld: Sergei Brin. Der Mann, der kämpfen muss

Das Superhirn der Mannschaft – ganz ohne Zweifel. Geboren in Moskau, wo die Kinder angeblich lieber mit Schachfiguren als mit Teddys spielen. Dann ist er mit den Eltern in die USA ausgewandert und hat an der Elite-Uni Stanford Informatik studiert. Das Mathematikgenie denkt und spielt nicht nur in hochkomplexen Strukturen, sondern sorgt auch dafür, dass wir das im weltweiten Netz gespeicherte Wissen auch finden. Sergei Brin hat gemeinsam mit seinem Partner Larry Page die Suchmaschine Google gegründet. Während die Konkurrenten um ihn herum schwächelten und ihre Karriere vorzeitig beenden mussten, stieg Brin konsequent in die Weltliga auf.

Dabei halfen ihm nicht nur sein Spaß am Spiel und seine Schnelligkeit, sondern auch sein Teamwork. Er setzt nicht auf Einzelleistungen großer Rechner, sondern die Vernetzung von abertausenden Billig-PC. Und das alles mit dem politisch total korrekten Betriebssystem Linux. Ein intellektueller Spielertyp, keine Frage. Und dazu noch besser frisiert als Günther Netzer oder Zinedine Zidane.

Doch Brin darf in diesem Jahr nicht nur aus den Tiefe des Raums seine geschickten Schachzüge einleiten. Wir wollen ihn öfter vorne sehen. Der Mann muss Farbe bekennen. Denn das Image des netten Wunderknaben ist angekratzt. „Tu nichts Böses“, lautet sein Unternehmensprinzip – und dennoch kooperiert Google in China mit der Regierung und akzeptiert ihre Zensurauflagen. Auch beim Börsengang von Google haben Brin und sein Kompagnon nicht gerade durch Transparenz und Klarheit geglänzt. Und vor ein paar Wochen hat Google eine milliardenschwere Partnerschaft mit AOL vereinbart – fast so schlimm wie ein Wechsel nach Bayern München. Dabei soll Brin schon rund 11 Milliarden Dollar besitzen.

Verdirbt Geld also doch den Charakter? Kann sich Bill Gates freuen, weil er nicht mehr länger der Buhmann ist? Wir wollen das nicht glauben. Brin muss sich weiterentwickeln und zum Kämpfer werden.

Er muss laufen und schwitzen für ein ethisch korrektes Unternehmertum, für frei zugängliches Wissen, gegen Microsofts Krakenarme und Apples Lifestyle-Terror. Für eine Wirtschaft, die allen nützt – eine echte New Economy eben. STEPHAN KOSCH