Das Fastnichts

Mittelfeld: Angela Merkel. Gut, weil sie ewig unterschätzt wird

Ganz klar, Angela Merkel, genannt Angie, das rhetorische Nichts der großen Koalition des großen Deutschlands, regiert das kommende Jahr so la la runter, erhöht 2007 die Steuern, schaltet 2008 ihre parteiinternen Konkurrenten Koch und Wulff aus und wird 2009 als Kanzlerin wiedergewählt. Diese Prognose ist schon deswegen nicht gewagt, weil keiner an sie glaubt.

Und genau darin besteht ja auch Merkels Geheimnis: Keiner nimmt sie für voll, obwohl sie genau deswegen Kanzlerin geworden ist. Die Frau tut nichts Besonderes – nur das, was sich ihr den Gesetzen der Logik nach aufdrängt. Sie macht Politik, so wie die deutsche Nationalmannschaft seit fünfzig, ach, seit fünfhundert Jahren Fußball spielt. Und? Eben. Dreimal Weltmeister. Im nächsten Jahr der vierte Titel.

Also, 2006 wird Angies Jahr. Weil sie, wie immer, nichts Besonderes tut, aber konditionsstark ist. In ihrer Neujahrsansprache untermauert die Kanzlerin dieses Vorhaben geradezu eindrucksvoll. „Unerreichbare Ziele setzen? Das ist nicht unsere Art“, sagt sie. „Unhaltbare Versprechungen machen? Davon haben Sie zu Recht genug. Viele kleine Schritte gehen, die aber in die richtige Richtung. So haben wir angefangen.“ Na, bitte. Endlich mal wieder ein von sich selbst überzeugtes Nullprogramm. Wer sich so leidenschaftlich zu den deutschen Tugenden bekennt, gehört natürlich in die Verteidigung der Weltelf 2006, aber weil sich dort gerade jetzt, wo wir nicht nur gegen die Arbeitslosigkeit, sondern auch gegen den Terror kämpfen, alle möglichen Größen tummeln, rückt Angie ins Mittelfeld vor. Dorthin, wo Christian Wörns zu Recht nie spielen würde.

Im Januar wird die Kanzlerin ein paar Milliarden im Haushalt zusammenfegen lassen und den Haufen als Sofortprogramm für höheres Wachstum und mehr Beschäftigung unters Volk bringen. Das wird zwar nicht viel helfen, weil die Leute aus Angst vor der Steuererhöhung 2007 nicht noch mehr Flachbildfernseher kaufen werden, aber bis März merkt das eh keiner. Dann sind Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, die Merkels CDU insgesamt nicht gewinnen, aber deswegen auch nicht verlieren wird. Das gibt der Kanzlerin Gelegenheit, in ihrem Amt zu wachsen. Allein das sollte reichen, im Zusammenspiel mit den beeindruckten Hauptstadtmedien einen allgemein gefühlten Merkel-Aufschwung zu erzeugen, der die Kanzlerin über das Scheißjahr 2007 trägt, 2008, wenn unter anderem in Hessen (Koch) und Niedersachsen (Wulff) gewählt wird, weiter anhält, was ihr die Gelegenheit gibt, sich für 2009 als neue Kanzlerkandidatin der Union zu empfehlen. Allein das ist schon der halbe Wahlsieg.

Wie? Das ist nur purer Machterhalt? Eine Politik des gerade Machbaren? Genau, würde Angela Merkel sagen, danke für die Blumen! Deswegen gibt es doch eine große Koalition mit der SPD. Weil Schröder auch nicht besser war als die CDU-Chefin und Platzeck es möglicherweise auch nicht sein wird.

So gewinnt man 1:0 in der Verlängerung. 119. Minute. Kopfballtor, weil der Gegner eine Nanosekunde lang unaufmerksam war. Ein typischer Angela-Merkel-Sieg. JENS KÖNIG