„Taliban werden nicht siegen“

AFGHANISTAN Ein Abzug der Nato würde zum Bürgerkrieg führen, sagt Experte Michael Semple. Das bedeute aber nicht, dass die Taliban an die Macht kämen

BERLIN taz | Nicht nur Geld zur Reintegration „pragmatischer“ Taliban – auch politische Verhandlungen mit ihren Führern fordert der irische Afghanistan-Experte Michael Semple wenige Tage vor der internationalen Afghanistan-Konferenz in London. Der frühere stellvertretende EU-Sonderbotschafter hatte bereits 2007 mit Taliban-Kommandeuren Kontakte aufgenommen. Er sagte im taz-Interview, bis zu einem Abkommen zwischen Taliban und Regierung sei es „noch weit“. Dass US-Präsident Barack Obama den Juli 2011 als Termin für einen Abzugsbeginn der US-Truppen benannt habe, „gibt den Hardlinern Auftrieb.“

Eine Verhandlungslösung gebe es jedoch erst, wenn allen klar sei, dass es keinen militärischen Sieg gibt, so Semple. „Ein Bürgerkrieg ist nach einem Abzug ausländischer Truppen wahrscheinlich, aber kein Sieg der Taliban.“ Auch der Kommandeur der Internationalen Afghanistan-Truppe Isaf, US-General Stanley McChrystal, sprach sich für Gespräche mit den Taliban aus. Laut dem britischen Premier Gordon Brown soll in London ein Fonds beschlossen werden, um die Reintegration von Taliban zu finanzieren und die Aufstandsbewegung zu spalten.

Die Bundesregierung wollte Montagabend ihre Afghanistan-Pläne konkretisieren. Dass dazu eine Aufstockung des Bundeswehrkontingents um 1.000 Soldaten gehöre, bestätigten Sprecher zunächst nicht. Der afghanische Präsident Hamid Karsai wird Dienstag in Berlin erwartet.

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