Brüssel päppelt Atom-Forscher

Grüne und Klimaforscher warnen: Brüssel bevorzugt Atomenergie und vernachlässigt regenerative Energien. Das hat Auswirkungen auf den Energie- und Forschungsstandort NRW

VON KLAUS JANSEN

Die Energie-Forschungspolitik der Europäischen Union bevorzugt nach Ansicht von Klimaexperten und Umweltpolitikern in NRW einseitig die Atomenergie. „Es entsteht eine Schieflage, keine Frage“, sagte Manfred Fischedick vom Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie (WI) der taz. Der grüne Landtagsabgeordnete Reiner Priggen nannte es „unsinnig“, dass die EU einerseits den Ausbau regenerativer Energien fördere, andererseits aber „der Atomlobby Geld hinterherwirft“.

Die EU-Kommission stellt der Atomgemeinschaft Euratom im Forschungszeitraum von 2007 bis 2013 rund 3,09 Milliarden Euro zur Verfügung. Für die Entwicklung nicht-nuklearer Energien sind lediglich 2,93 Milliarden Euro vorgesehen. Der Fördertopf, aus dem sich auch die Hersteller regenerativer Energien aus NRW bedienen können, fällt damit kleiner als erhofft aus.

Von den gesicherten Einnahmen für Euratom profitiert hingegen das Forschungszentrum Jülich. „Wir haben derzeit vier Forschungsverträge mit Euratom“, so Sprecherin Angelika Staudte. Wie viel Geld in den kommenden Jahren zur Verfügung stehe, sei jedoch noch nicht klar. In dem vom Land Nordrhein-Westfalen und vom Bund finanzierten ehemaligen Kernforschungszentrum wird laut Bundesregierung keine neue Kraftwerkstechnik mehr entwickelt, sondern es werden lediglich Sicherheitsfragen erforscht. Der Forschungsreaktor Jülich II soll im Mai stillgelegt werden.

„Die Forschung nach Sicherheit und Lagermöglichkeiten für Atomenergie sind Dinge, die man machen muss“, sagt WI-Experte Fischedick. Allerdings müsse das Verhältnis zu den übrigen Energieträgern stimmen: Anders als etwa die Windenergie seien „marktferne“ Technologien wie solare Wärmenetze oder neue Öko-Kraftstoffe durchaus auf Forschungsmittel aus Brüssel angewiesen.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung stört sich an der Brüsseler Förderpolitik hingegen offenbar nicht. Weder Europaminister Michael Breuer (CDU) noch FDP-Innovationsminister Andreas Pinkwart wollten die EU-Entscheidung kommentieren. Schwarz-gelbe Energiepolitiker hatten sich zudem mehrfach für eine längere Laufzeit von Atomkraftwerken ausgesprochen.

Der grüne Energiepolitiker Priggen warnt vor einer Renaissance der Kernenergie – auch in NRW: „Der Energiekompromiss der großen Koalition in Berlin könnte so aussehen: Die SPD darf ihren Kohlesockel behalten, die CDU bekommt dafür längere Laufzeiten für Atomkraftwerke“, sagt er. Und sollte sich Deutschland an der Entwicklung neuer Atomkraftwerke – wenn auch nicht auf eigenem Boden – beteiligen, dann sei auch Jülich womöglich als Forschungsstandort mit dabei.