Dran oder nicht dran?

Peter Rohwein, Trainer der deutschen Skispringer, hat ein Bündel von Problemen zu lösen: Michael Uhrmann will zu viel, Martin Schmitt zeigt zu wenig, allen fehlen wichtige Meter. Nun hofft der Coach auf die Unberechenbarkeit seiner Athleten

AUS GARMISCH-PARTENKIRCHENKATHRIN ZEILMANN

Zu Michael Uhrmann fallen einem viele Attribute ein. Für einen Hasardeur, der das Risiko liebt, würde man ihn nicht gerade halten. Uhrmann ist der brave Bursche aus dem Bayerischen Wald. Dort hat er sich mit Freundin Heidi ein Haus gebaut. Er wird dort wegen seiner Erfolge (Team-Gold bei der WM 2001 und Olympia 2002) sogar hofiert: Eine Straße wurde ihm in seinem Heimatort Breitenberg gewidmet. Dass er später just da sein Eigenheim errichten würde und jetzt in der Michael-Uhrmann-Straße wohnt, ist eine nette Randnotiz aus dem Leben des Skispringers. Dass ihm ein Bierbrauer eigens Biersorten kreiert, ist Uhrmann etwas peinlich.

Glaubt man ihm und seinem Trainer Peter Rohwein allerdings, dann hat Uhrmann rechtzeitig zum Tourneestart die Lust am unkalkulierbaren Risiko entdeckt. Nur dumm, dass sich das bisher noch nicht ausgezahlt hat, im Gegenteil. Anstatt um den Sieg bei der Vierschanzentournee mitzuspringen, muss Uhrmann erklären, dass er sowohl in Oberstdorf als auch in Garmisch im zweiten Sprung zu viel riskiert habe. In der Fachsprache des Skispringens bedeutet dies, dass er einen zu aggressiven Stil gesprungen ist: möglichst schnell abspringen, Körper und Skier nach vorne werfen und hoffen, dass ein günstiger Wind weht. Uhrmanns Aggressivität, mit der er sich einen Podestplatz erspringen wollte, ist nicht belohnt worden, er verlor in der Luft zu schnell an Geschwindigkeit und musste früher als geplant zur Landung ansetzen.

Trotzdem bereut er es nicht, sich in den beiden Finaldurchgängen vom akribischen Springer, der brav auf seine Technik achtet, zu einem Abenteurer auf der Schanze verwandelt zu haben. „Lieber gehe ich dieses Risiko ein und es klappt nicht. Ich will hinterher nicht sagen, dass ich die Chance hatte, aber nichts dafür getan habe.“ Der Versuch, ein Held zu werden, ist aber zur Halbzeit der Tournee gescheitert, Uhrmann belegt einen passablen, aber keinesfalls glänzenden sechsten Zwischenrang.

Früher einmal, da war Martin Schmitt ein Held. Lange ist es her, und wenn man sich heute ansieht, wie er sich müht, dann kann man kaum glauben, dass er vier Weltmeistertitel und 28 Weltcupsiege gefeiert hat.

Aber genau diese vergangenen Erfolge lassen ihn zur tragischen Figur werden. Für das Neujahrsspringen hatte er sich nicht einmal qualifiziert. Gedankenspiele, dass er die Tournee beenden und lieber trainieren solle, hat der Cheftrainer verworfen. Vielleicht auch, weil die Personaldecke deutscher Skisprungtrainer recht dünn ist und sich niemand individuell um Schmitts Probleme kümmern kann. Deshalb hat der Skiverband dem Österreicher Stefan Horngacher ein Angebot gemacht, am Stützpunkt Hinterzarten, dem Schmitt zugeordnet ist, Trainer zu werden. Kurzfristig kann auch diese Personalie Schmitts Probleme nicht beheben. Auf die Skiflug-WM Mitte Januar wird er verzichten und vorher hoffen, dass es irgendwie funktioniert in Innsbruck und Bischofshofen. Noch ist Schmitt ratlos: Nach seinem Aus in Garmisch zählte er ein ganzes Bündel von möglichen Ursachen auf: Schuhe und Bindung könnten nicht passen. Oder seine Haltung auf dem Ski während der Anfahrt. Oder seine Absprungposition. Seine Erklärungsversuche mündeten in der vagen Einschätzung: „Irgendetwas passt nicht.“ Trainer Rohwein klammert sich daran, dass Schmitt in den vergangenen Jahren nach vielen Abstürzen auch wieder für einige Lichtblicke gesorgt hat: „Martin ist unberechenbar.“

Die deutschen Skispringer müssten nur endlich einmal zu Erfolgen springen. So herrscht Ratlosigkeit, weil einerseits der sechste Gesamtrang von Uhrmann sowie Späths neunter Platz ja so schlecht auch nicht sind, wenn man bedenkt, dass ein einstiger Überflieger wie Adam Malysz nach Gesamtrang 16 die Tournee gefrustet beendet. Andererseits müssen sich die deutschen Springer an den drei Podesträngen messen lassen, die Uhrmann in dieser Saison erobert hat – und an den optimistischen Prognosen, die Erfolge bei der Tournee erwarten ließen.

Die Einordnung der bisher gezeigten Leistungen fällt auch Cheftrainer Peter Rohwein schwer: „Wir sind dran, und wir sind auch nicht dran.“