Deutschland vertritt Europa im Kongo

Ab jetzt hält Deutschland den EU-Sitz im internationalen Komitee, das Kongos Friedensprozess überwacht. Das Engagement ist gering. Dabei ist die EU zentral für den Schwachpunkt des Friedensprozesses – des kriselnden Aufbaus einer neuen Armee

VON DOMINIC JOHNSON

In einem der komplexesten Krisengebiete der Welt übernimmt Deutschland ab Anfang 2006 eine besondere Verantwortung. Weil Österreich, das im ersten Halbjahr die EU-Ratspräsidentschaft innehat, keine eigene Botschaft in der Demokratischen Republik Kongo unterhält, besetzt die Bundesregierung vertretungsweise ab jetzt den EU-Sitz im internationalen Komitee, das den Friedensprozess überwacht.

Es ist eine kritische Zeit, denn am 30. Juni soll die gegenwärtige Allparteienregierung aus Kongos Warlords durch einen demokratisch gewählten Nachfolger abgelöst werden. Gegenwärtig sind die Wahlen für April geplant. Vor wenigen Monaten warnte der deutsche Botschafter im Kongo, Reinhard Buchholz, bei einem Misserfolg des Wahlprozesses drohe ab 30. Juni der komplette Zerfall des Landes.

Für die neue Aufgabe scheint Deutschland schlecht gerüstet zu sein. Eine einzige zusätzliche Fachkraft wird nach Auskunft des Auswärtigen Amtes an die deutsche Botschaft in Kongos Hauptstadt Kinshasa entsandt, die insgesamt 15 Mitarbeiter zählt, die meisten davon im Verwaltungsbereich. Zum Vergleich: Großbritannien, das in der zweiten Hälfte 2005 die EU-Präsidentschaft hielt, schickte zehn zusätzliche Fachkräfte aus dem Außenministerium und 34 aus dem Entwicklungsministerium nach Kinshasa.

Für Großbritannien, anders als für Deutschland, ist Kongo ein Schwerpunktland der Entwicklungszusammenarbeit – das einzige in Afrika, das weder dem anglophonen Raum noch dem Commonwealth angehört. Vor allem Fragen der guten Regierungsführung und des Aufbaus eines verantwortungsvollen Staatswesens standen auf der politischen Agenda der Briten.

Das „Comité International d’Accompagnement de la Transition“ (CIAT), auf Deutsch „Internationales Komitee zur Begleitung des Übergangsprozesses“, ist das wichtigste Gremium der internationalen Gemeinschaft im Kongo. Die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder sowie die UN-Mission im Kongo (Monuc) überwachen darin zusammen mit Südafrika, Angola, Belgien, Kanada, Gabun, Sambia, der Afrikanischen Union und der Europäischen Union den Fortgang des Friedensprozesses und geben bei ihren wöchentlichen Treffen regelmäßig lobende oder kritische Bemerkungen zur politischen Entwicklung ab, die im Kongo immensen Stellenwert haben. Der EU-Sitz wird von Vertretern des jeweiligen EU-Ratsvorsitzenden besetzt.

Die EU spielt in der internationalen Begleitung von Kongos Friedensprozess eine Schlüsselrolle. Sie leitet seit 2004 die Ausbildung einer neuen kongolesischen Polizei, die für die Sicherheit bei den Wahlen zuständig sein soll. Und sie leitet seit Sommer 2005 ein Programm zur Reform des Sicherheitssektors im Kongo, das den schleppenden Prozess der Verschmelzung der einstigen Bürgerkriegsarmeen in eine neue geeinten nationalen Armee (FARDC) effektivieren soll, indem europäische Experten die Arbeit kongolesischer Entscheidungsträger überwachen und beraten.

Gerade weil der Aufbau der FARDC weit hinter Plan liegt und im Kongo die Befürchtung herrscht, dass die Warlords des Landes eigene Bürgerkriegstruppen in Reserve halten, statt den Armeeaufbau zu unterstützen, kommt diesem EU-Programm „Eusec“ eine besondere Bedeutung zu. Es läuft bis Mai 2006 und wird vom französischen General Pierre Joana geleitet.

Wichtigste Leistung der britischen EU-Präsidentschaft im Kongo war gewesen, im Rahmen von „Eusec“ mit Kongos Regierung eine EU-Überwachung der Gehaltszahlungen und Nahrungsmittelversorgung in Armee und Polizei zu vereinbaren. Das soll verhindern, dass wie bisher Millionensummen aus dem Verteidigungshaushalt in den Taschen hoher Generäle verschwinden. Monatelang wurde darüber zwischen Kongos Regierung und CIAT verhandelt, bis Regierung und britische Botschaft kurz vor Weihnachten die Einigung bekannt gaben.

Bereits ab diesen Monat soll das Programm umgesetzt werden. Das CIAT wird es überwachen, und die EU darüber in dem Gremium Bericht erstatten. Von seinem Erfolg dürfte abhängen, ob Kongo vor den Wahlen eine geordnete Armee bekommt. Daran entscheidet sich, ob nach den Wahlen Frieden herrscht oder wieder Krieg ausbricht.