Frankfurts letzte Hausbesetzer

FREIRÄUME Das Institut für vergleichende Irrelevanz wurde geräumt. Die AktivistInnen machen weiter

„Es wurden Schlagstöcke eingesetzt, es gab drei Verletzte“

OLIVER SONNENSCHEIN, IVI

FRANKFURT/MAIN taz | Am Montagmorgen hat die Frankfurter Polizei das seit knapp 10 Jahren besetzte „Institut für vergleichende Irrelevanz“ (IvI) geräumt. Damit ist das einzig verbliebene besetzte Haus der Stadt Geschichte. Bereits in den frühen Morgenstunden hatten sich rund 100 UnterstützerInnen rund um das ehemalige Unigebäude gegenüber dem Campus Bockenheim versammelt, denn das Gerücht, die Polizei wolle räumen, kursierte bereits seit Sonntag im Internet. Während die verbliebenen BesetzerInnen im Kettenhofweg 130 eine rote Fahne mit der Aufschrift „IvI bleibt“ aus dem Fenster hängten, blockierten etliche Dutzend Sympathisanten mittels einer Sitzblockade den Zugang zum Gebäude.

Doch als gegen acht Uhr der Gerichtsvollzieher eintrifft, nützt das alles nichts: Die Polizei trägt die Unterstützer weg, räumt die Barrikaden aus Stühlen und Einkaufswagen aus dem Weg und bricht die Tür auf. Es kommt zu Rangeleien, rund eine Stunden später ist das IvI geräumt. Dieses wurde im Dezember 2003 von linken AktivistInnen besetzt, seither veranstalten sie dort Partys, Vorträge sowie Diskussionen. Die Frankfurter Goethe-Universität, der das Gebäude gehörte, tolerierte dies. Doch vor gut einem Jahr verkaufte sie das Haus für einen günstigen Preis an die umstrittene Immobilienfirma Franconofurt, die seither versucht, die BesetzerInnen loszuwerden. Im Februar stellte das Frankfurter Landgericht Franconofurt einen Räumungstitel aus, der vom IvI als „Rechtsbeugung“ bezeichnet wird, weil er gegen eine „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ (GbR) gerichtet ist, die AktivistInnen aber stets bestritten, eine GbR zu sein. Dennoch scheiterte am Freitag auch der Versuch des Politikprofessors Joachim Hirsch, sich vor Gericht als Streithelfer für das IvI einzuschalten.

Gestern folgte daraufhin nun die Räumung. Laut Polizei verlief diese „friedlich“: Es habe keine Verletzte gegeben, so eine Sprecherin. Dem widerspricht ein IvI-Sprecher, der sich Oliver Sonnenschein nennt: „Bei der Räumung der Sitzblockade kam es zum Einsatz von Schlagstöcken, es gab drei Verletzte.“ Außerdem habe die Polizei die Personalien der sechs im Haus verbliebenen Aktivisten aufgenommen.

„Doch auch von diesen Repressalien lassen wir uns nicht einschüchtern“, so Sonnenschein. „Es wird die ganze Woche über Aktionen für den Erhalt des IvI geben.“ Bereits seit Längerem mobilisieren die Aktivisten deutschlandweit für eine große Demonstration am Tag nach der Räumung. Heute wollen sie sich um 18 Uhr am Frankfurter Hauptbahnhof treffen, an diesem Tag beginnt auch der deutsche Städtetag in Frankfurt, zu dem viel Prominenz aus der Politik erwartet wird: Auf der Rednerliste steht unter anderem Kanzlerin Angela Merkel.

Die AktivistInnen hoffen indes immer noch auch auf eine politische Lösung. In den vergangenen Monaten verhandelten deshalb IvI-Vertreter mit Frankfurter Parteien über ein Ersatzobjekt für das Kulturzentrum – bisher ergebnislos. CDU und FDP sind gegen den Erhalt des IvI, SPD, Linke und Piraten haben sich in einem Antrage dafür ausgesprochen, über den gestern Abend im Stadtparlament verhandelt werden sollte. Enttäuscht zeigen sich die Aktivisten von den Grünen, die gemeinsam mit der Union in Frankfurt regieren. „Außer Lippenbekenntnissen ist bisher nichts passiert“, so Sonnenschein. Er und seine MitstreiterInnen wollten „nicht aufhören, für selbstorganisierte Räume zu kämpfen, und weiter besetzen, bis wir ein adäquates Ersatzobjekt haben“. TIMO REUTER