„Die Analysten werden sich irren“

Die meisten Bankexperten sehen weitere Kursgewinne an den Börsen voraus. Doch darauf sollten Kleinanleger nicht vertrauen, rät Aktionärsschützer Markus Straub. Der Volkswirt empfiehlt einen simplen Trick: jeden Monat DAX-Aktien kaufen

INTERVIEW ULRIKE HERRMANN

taz: Herr Straub, der deutsche Aktienindex DAX ist 2005 um 27 Prozent auf fast 5.500 Punkte gestiegen. Wie geht es bis Ende 2006 weiter?

Markus Straub: Die meisten Analysten erwarten beim DAX 6.000 bis 6.500 Punkte.

Also rein in die Aktien?

Es sollte vorsichtig stimmen, dass sich die meisten Analysten geirrt haben. Nur sehr wenige haben Anfang 2005 vorausgesagt, dass der DAX am Ende fast 5.500 Punkte erreichen würde. Die meisten sahen ihn weiter bei deutlich unter 5.000 Punkten.

Sie raten von Aktien ab?

Prognosen sind Kaffeesatzleserei. Vielleicht wird das Jahr sehr schlecht, vielleicht endet der DAX 2006 aber auch bei 7.000 Punkten.Wahrscheinlich ist nur, dass die Analysten wieder irren.

Warum?

Ein Grund: Sie verfolgen auch eigene Interessen. Keine Aktienanalyse entsteht ohne Motivation. Und die Motivation ist bestimmt nicht, Kleinanleger reich zu machen. Entweder müssen die Banken Aktienpakete umschichten oder sie beraten die börsennotierten Unternehmen, die sie gleichzeitig zum Kauf empfehlen. So realistisch müssen Kleinanleger schon sein – sie müssen sich besser informieren.

Diese mühevolle Kleinarbeit überfordert doch den normalen Sparer.

Dann sollten sie einfach „Exchange rated Funds“ kaufen. Also Fonds, die genau den DAX abbilden. Das kann auch ein Computer managen, da braucht man keine teuren Fondsverwalter. Damit spart man sogar noch Gebühren.

Klingt sehr mechanisch.

Trotzdem bringen diese passiven Fonds durchschnittlich mehr Rendite als aktiv gemanagte Fonds. Denn der DAX funktioniert bereits wie ein gut verwalteter Fond: Die schlechtesten Werte fallen automatisch raus, die starken Aktien aus dem MDAX kommen hinein.

Spekulation per Computer: Verstärkt dies nicht den Herdentrieb an den Börsen?

Deswegen sollte man den „Cost Average Effect“ nutzen. Kleinanleger müssen eisern jeden Monat den gleichen Betrag in Aktien investieren – unabhängig von den aktuellen Börsenständen. Folge: Bei niedrigen Kursen kaufen sie relativ viele Aktien, bei hohen wenige. Langfristig kommen sie damit auf eher niedrige Preise und hohe Renditen.

Klingt simpel. Warum ignorieren viele Kleinanleger diesen Trick?

Sie lassen sich noch immer von Emotionen leiten – sie kaufen erst Aktien, wenn auch Bild und RTL über den Börsenboom berichten. Dann sind die Kurse aber meist schon viel zu hoch. Professionelle Anleger nutzen das gern, um ihre Aktien teuer zu verkaufen.

Könnte der Boom nicht sowieso bald vorbei sein – falls etwa die Immobilienblase in den USA platzt?

Die großen Anleger erwarten zumindest einen Dollarsturz. Deswegen halten sie sich in den USA zurück; der US-Index Dow Jones ist 2005 nicht mehr gestiegen.

Ein letzter Tipp für den deutschen Kleinanleger?

Nicht nur Aktien kaufen! Früher gab es in jeder Bank Gold zum Mitnehmen. Daran sollte man sich erinnern.