Advocatus digitali

ORTSTERMIN Peer Steinbrück spricht auf einer Konferenz für Internetwirtschaft. Warum nur?

Peer Steinbrücks Wahlkampf läuft nicht optimal. Seine Berater haben offensichtlich beschlossen, dass er mit Netzpolitik punkten soll. Und darum steht er jetzt neben der Bühne der Next, einer Berliner Konferenz für Internetwirtschaft, und wartet.

Wartet, bis Stephen Wolfram endlich fertig ist. Der Mathematiker und Software-Visionär überzieht, er musste improvisieren, live Codezeilen in seinen Rechner hacken, um zu demonstrieren, was seine Algorithmen können. Das dauert. Jubel. Schlussapplaus. Zehn Minuten zu spät.

Dann darf der SPD-Kanzlerkandidat auf die Bühne. Rechner? Braucht er nicht. Internet erst recht nicht. Witzchen über seine Aussichten sollen die Atmosphäre auflockern. Steinbrück, der einzige Schlips im Raum, redet darüber, dass Deutschland an der Spitze der vierten industriellen Revolution stehen werde, in der 3-D-Drucker die Wirtschaft umkrempeln. Und über den überfälligen Ausbau von Breitbandinternet, da hinke man ja sogar noch hinter (um Gottes willen!) Rumänien her.

Aus seinem grimmigen Gesichtsausdruck dabei lässt sich wenig ablesen – der gehört ja bei Steinbrück zur Grundkonfiguration. Einzig der Redefluss verrät, dass er sich deutlich wohler fühlt, wenn er über Siemens, über die Autoindustrie sprechen kann.

„Ich gehöre zu der Generation, die sich im Plattenladen mit Musik versorgt, nicht bei Soundcloud“, sagt er. Klingt wie: Tja, dieses Internet ist eben nicht seins. Und genau darum springt der Funke auch nicht über. Nicht einmal bei diesem gut erzogenen Netzpublikum, das so brav über jedes seiner Witzchen giggelt und höflich ignoriert, dass er den Facebook-Chef „Zuckerborg“ nennt. Wenn es hier schon nicht zündet, dann funktioniert es nicht – Steinbrück als Advokat fürs Digitale. MEIKE LAAFF, BERLIN