NS-Geschichtsort bedroht

Weil der Stadthaushalt saniert werden soll, muss die Erinnerungsstätte Villa ten Hompel in Münster um Zuschüsse bangen. Aufarbeitung der nationalsozialistischen Polizeigeschichte scheint in Gefahr

VON MARTIN TEIGELER

Im vorvergangenen Jahr wollte Münster noch Europas Kulturhauptstadt 2010 werden, anno 2006 ist ein Stück Geschichtskultur in der westfälischen Metropole bedroht. Die Erinnerungs- und Bildungsstätte Villa ten Hompel, zur Nazi-Zeit Sitz des regionalen Befehlshabers der Ordnungspolizei, muss um ihren kommunalen Jahreszuschuss von rund 280.000 Euro fürchten. Die Stadtverwaltung dementiert Kürzungspläne. „Wir werden vorschlagen, die Förderung wie bisher beizubehalten“, so eine Sprecherin von CDU-Oberbürgermeister Berthold Tillmann gestern zur taz. Doch laut Lokalpresse will die konservative Mehrheitsfraktion im Stadtrat angeblich bei der Villa kürzen.

Zu entsprechenden Berichten der Westfälischen Nachrichten von Ende 2005 sagen die Christdemokraten: „Pure Spekulation“. Nichts sei entschieden. In den nächsten Wochen werde man beraten, heißt es aus der CDU-Fraktion. „Das ist ein Versuchsballon, um zu testen, wie die Öffentlichkeit reagiert“, sagt Alexander Kujat von der SPD-Fraktion, die die Villa weiter fördern will. Und in der Tat reagierten Leserbriefschreiber und Politiker in Münster heftig auf die Pressemeldungen – trotz westfälischer Feiertagsruhe zog man gegen die Kürzungsgerüchte zu Felde.

So veröffentlichte der grüne Bundestagsabgeordnete Winfried Nachtwei ein Plädoyer für die Villa. Die Gedenkstätte sei „eine Einrichtung der historisch-politischen Forschung und demokratisch-rechtsstaatlichen Bildung, die in dieser Art und Weise in Deutschland einmalig“ sei. „50 Jahre lang war in Münster die Beteiligung der von der Villa ten Hompel aus aufgestellten Polizeibataillone an der Judenvernichtung im Osten verdrängt und vergessen. Die Villa ten Hompel wurde zu einem Ort nachholender Erinnerung, Aufarbeitung, Bildung“, warf sich Nachtwei für die Gedenkstätte in die Bresche und fragte: „Wollen die anonymen Sparkommissare damit wieder Schluss machen?“

Christoph Spieker, Historiker und kommissarischer Leiter der Villa Ten Hompel, weiß von Kürzungsplänen nur aus der Zeitung – und wundert sich. „Unsere Arbeit ist nicht nur in Münster, sondern allgemein anerkannt worden“, sagt er. Parteiübergreifend seien die Aktivitäten der kleinen Forschergruppe unterstützt worden – bislang. Droht nun die Schließung? „Natürlich sorgen wir uns, ob wir unsere Arbeit fortsetzen können“, so Spieker. 2005 verzeichnete die ehemalige Fabrikanten-Villa einen Besucherrekord mit rund 10.000 Museumsgästen, viele von ihnen Schülerinnen und Schüler, bei Ausstellungen zu Themen wie: „Verfolgung und Verwaltung. Die wirtschaftliche Ausplünderung der Juden und die westfälischen Finanzbehörden“. Zuletzt startete die Gedenkstätte die Dauerausstellung „Wiedergutmachung als Auftrag“ zur Entschädigungsgeschichte von Verfolgten der faschistischen Diktatur. Das Thema der Ausstellung nahm erneut Bezug auf die Geschichte der Villa. Das heutige Museum beherbergte von 1954 bis 1968 das Dezernat für Wiedergutmachung der Bezirksregierung.

Zur Ausstellungseröffnung im Oktober 2005 erschien wie so oft Politprominenz in Münster, diesmal war NRW-Generationenminister Armin Laschet (CDU) da. Neben der Stadt fördert nämlich auch das Land Nordrhein-Westfalen die Einrichtung mit 180.000 Euro. Der Bund gab 250.000 Euro für die Forschungs- und Museumsprojekte in der NS-Gedenkstätte. Möglich, dass Bund und Land bald zusätzlich einen Teil des städtischen Zuschusses für die Münstersche Villa übernehmen müssen.