Wachtelkönigs neue Nachbarn

Abgespeckt, aber immer noch voluminös: In Neugraben-Fischbek entstehen 1.250 Eigenheime und Wohnungen für Familien. Vogelschutz angeblich gewährleistet

„Stadtplanung und Umweltschutz gehen hier beispielhaft Hand in Hand“

Es waren weder Nachtigall noch Lerche – der Wachtelkönig war es, der in den neunziger Jahren eine vom rot-grünen Senat geplante Bebauung mit rund 3.000 Wohneinheiten in Neugraben-Fischbek zu Fall brachte. Der seltene und schutzwürdige „Crex Crex“, der dort zwar nicht gesichtet, dessen Krächzen aber vernommen wurde, stoppte den größten Neubauplan der Hansestadt. Bis gestern.

Denn auf seiner ersten Sitzung im neuen Jahr gab der CDU-Senat nun den Startschuss für eine abgespeckte Version der Wohnbaupläne. Statt der einst geplanten 3.000 Wohneinheiten sollen nun auf dem 37 Hektar großen Gelände nördlich der S-Bahn-Station Neugraben „nur“ noch 1.250 Wohnungen und Häuser entstehen.

„Keine Beeinträchtigung des Vogelschutzes“ werde es durch dieses Wohnbaugebiet geben, ist sich Bausenator Michael Freytag (CDU) sicher. Das besage zumindest eine Studie, die seine Behörde in Auftrag gegeben hat. So preist Freytag die Planungen als Musterbeispiel für ein Projekt, bei dem „Stadtentwicklung und Umweltschutz Hand in Hand“ gingen. Mit den Aufschüttungsarbeiten der grundwassernahen Bauflächen wurde bereits begonnen. Im kommenden Jahr sollen dann die ersten Baumaßnahmen beginnen. Etwa 2014 soll die neue Wohnsiedlung laut Oberbaudirektor Jörn Walter fertig gestellt sein.

Bei seinen Planungen setzt Freytag ganz auf einkommensstärkere Familien. In fast alle erstellten Einzel-, Doppel- und Reihenhäuser wie auch in die am südlichen Siedlungsrand geplanten dreistöckigen Wohnungsbauten sollen nicht Mieter einziehen, sondern zukünftige Eigentümer.

Die Grundrisse der 1.250 Wohneinheiten werden sich an den Bedürfnissen der durchschnittlichen Kleinfamilie orientieren. So hofft Freytag, besser verdienende Familienväter in Hamburg zu halten und die Stadtflucht ins Umland aufzuhalten. Insgesamt sind dabei gut 800 Eigenheime und etwa 400 Wohnungen geplant.

Auch eine Schule und weitere „infrastrukturelle Maßnahmen für junge Familien“, etwa Kindergärten und Einkaufsmöglichkeiten, sollen in dem Neubaugebiet entstehen. Bei der Vergabe der Grundstücke will die Behörde darauf achten, dass insbesondere Investoren zum Zuge kommen, die für eine ökologische Bauweise Sorge tragen.

Zum besonderen Schutz des Wachtelkönigs, der im angrenzenden Moorgebiet zu Hause ist, sind am Siedlungsrand ein drei Meter breiter Wassergraben und ein hoher, bewachsener Zaun geplant. Dadurch sollen streunende Hunde und Katzen davon abgehalten werden, Jagd auf den unscheinbaren, rebhuhnartigen Vogel zu machen.

Rund um die neue Siedlung bleiben zudem über 100 Hektar Brachfläche unbebaut, die in früheren Planungen teilweise ebenfalls als Wohngebiet ausgewiesen werden sollten. Aufgrund dieser Maßnahmen stehe die Planung, so Freytag, „im Einklang mit der Europäischen Vogelschutzrichtlinie“.

Gegen die ursprünglichen Planungen, die Wohnungen für insgesamt 10.000 Menschen vorsahen, hatte der Naturschutzbund Deutschland (NABU) in den neunziger Jahren erfolgreich Beschwerde bei der Europäischen Union eingelegt. Nach seiner Schätzung lebten in dem Areal damals etwa 15 Exemplare des schutzwürdigen Vogels – ein Bestand von „nationaler Bedeutung“. Marco Carini