ULRIKE WINKELMANN ÜBER DEUTSCHLANDS NEUE AFGHANISTANPOLITIK
: Ranrobben an die USA

Das also ist Merkels „deutsche Handschrift“, Westerwelles und Guttenbergs „Strategiewechsel“ zur Afghanistan-Konferenz in London: 850 weitere Bundeswehrsoldaten, konkrete Wiederaufbauziele und 10 Millionen Euro jährlich zum Taliban-Aufkaufen.

In mancher Hinsicht begibt sich die Bundesregierung damit erstmals auf das internationale Niveau der Debatte: etwa dass Zahlen genannt werden – dafür, wie viel Prozent mehr Nordafghanen in vier Jahren Strom und Trinkwasser haben sollen, oder wie viele Kilometer Straßen dann gepflastert sein sollen. Auch das Konzept, mit afghanischen Soldaten das Lager zu verlassen, ist neu – für die Bundeswehr. Doch zeigt das Bemühen, den von den USA vorgegebenen Standard zu erreichen, nur umso deutlicher, dass die Regierung zwischen dem innen- und dem außenpolitischen Druck heillos eingequetscht ist. Sie hat jede Form verloren.

Wieder einmal mögen Merkel und ihre Minister nicht sagen, was die Militärspatzen von den Dächern pfeifen: Wer das Lager verlässt, begibt sich in Gefahr. In den Worten der US-Generäle: Es könnte schlimmer werden, bevor es besser werden kann. Dass Taliban nun von der Nato quasi angeheuert werden, wird zwar hierzulande als brandheiße Idee gehandelt. Die USA haben dafür schon letzten Oktober Mittel in ihren Haushalt eingestellt. 850 weitere Soldaten begründen sich nicht sachlich, sondern sind ein Mittelwert aus dem inländisch gerade noch Machbaren und dem außenpolitischen Zeichen des guten Willens.

Fast ulkig wird es schließlich, wenn Merkel nahelegt, dass die Bundeswehr 2015 abgezogen sein könnte – dies aber bloß dem Willen des afghanischen Präsidenten Karsai entspreche. Sie will mit einem Abzugsdatum Politik machen, ohne sich darauf festzulegen. So typisch, so verlogen.

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