Neues Schulfach: Widerstand

Der 15-jährige Junior und seine 18-jährige Schwester Yanga sollen ausgewiesen werden. Eine Abordnung von Lehrern und Mitschülern will nun sich beim Innensenator für die beiden einsetzen

von PLUTONIA PLARRE

Wenn an der Moses-Mendelssohn-Oberschule in Mitte heute der Unterricht beginnt, ist die von Lehrern und Schülern schon seit längerem gehegte Befürchtung zur Gewissheit geworden. Der Neuntklässler Junior Sone-Enang soll aus der Gemeinschaft gerissen werden. Wie berichtet hat Innensenator Ehrhart Körting (SPD) zwei Tage vor Weihnachten das Ersuchen der Härtefallkommission abgelehnt, Junior und dessen 18-jähriger Schwester Yanga eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Den kamerunischen Geschwistern droht somit die Ausweisung aus Deutschland. Doch in der Moses-Mendelssohn-Schule regt sich Widerstand. „Wir werden alles dafür tun, dass uns Junior erhalten bleibt“, kündigt dessen Klassenlehrer, Volker Weller, Protestaktionen an.

Dass Körting den Fall anders beurteilt als die Härtefallkommission, hatte der Innensenator vor Weihnachten so begründet: Junior und Yanga hätten keinen Anspruch auf ein eigenes Aufenthaltsrecht, weil sie mit ihrer Mutter nach Deutschland eingereist seien. Die Aufenthaltserlaubnis der Mutter ist inzwischen widerrufen worden. Der Grund: Sie wurde wegen Drogenhandels zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Damit, so Körting, sei auch das Recht der Kinder erloschen hier zu bleiben. Schlimm genug, dass die Frau „in einem extremen Maße“ straffällig geworden sei. Dem deutschen Staat könne nun nicht auch noch zugemutet werden, deren Kinder zu alimentieren.

Der Direktor der Moses-Mendelssohn-Schule, Hartmut Blees, vermag diese Argumentation nicht nachzuvollziehen: „Man kann Kinder doch nicht für die Verfehlungen ihrer Eltern büßen lassen.“ Zusammen mit einer kleinen Schulabordnung will Blees schnellstmöglichst um einen Gesprächstermin bei Körting nachsuchen.

Mit dem Staatssekretär für Bildung, Thomas Härtel (SPD), hat der Direktor bereits telefoniert. Härtel habe sich „abwartend, aber wohlwollend“ geäußert, so Blees. Junior sei zwar erst ein Jahr an der Moses-Mendelssohn-Schule. In dieser Zeit habe er es aber nicht nur zum Klassensprecher, sondern auch zum schulweiten Streitschlichter gebracht. „Ich habe selten einen Schüler gesehen, der sich in so kurzer Zeit so integriert hat und der so engagiert ist“, sagt Blees. Auch was seine schauspielerischen und musikalischen Fähigkeiten angehe, sei der Junge ausgesprochen talentiert.

Junior und Yanga leben in einer betreuten Wohngemeinschaft des freien Trägers WohnSinn. „Die beiden sind richtig gut integriert“, sagt Betreuerin Adele Hünten. „Alles, was sie machen, machen sie gut. Sie sind gut in der Schule und haben konkrete Zukunftspläne.“ Die 18-jährige Yanga möchte Dolmetscherin werden. Zurzeit besucht sie die Berufsfachschule Banken und Versicherung in Moabit. Juniors Schuldirektor Blees kündigte an, er wolle heute bei Yangas Schulleiter um Unterstützung für die Kampagne bitten.

Bei einem Treffen der Unterstützergruppe ist gestern ein weiteres Vorhaben erörtert worden, mit dem Körting der Wind aus den Segeln genommen werden soll: die Finanzierung des Lebensunterhalts von Junior und Yanga durch Privatpersonen.