Klagewelle wegen Hartz IV

Hamburger Sozialgericht rechnet mit steigenden Fallzahlen: Hartz-IV-Behörde habe Anlaufschwierigkeiten überwunden und wage sich an „Konfliktfelder“

Hartz IV hieß das Hauptthema am Hamburger Sozialgericht im Jahr 2005. Rund 250 Empfänger des neuen Arbeitslosengeldes II sind pro Monat vor Gericht gezogen, um gegen die Höhe ihrer Stütze, die Zuweisung in einen Ein-Euro-Job oder die Anrechnung des Mitbewohner-Einkommens zu klagen. Auch für dieses Jahr rechnen die Sozialrichter mit einer Beschwerdeflut: „Das Jahr hat schon mit sehr hohen Eingangszahlen begonnen“, sagt Vizepräsident Claus-Dieter Loets: „Die Zahl der Klagen wird noch zunehmen.“

Auf steigende Zahlen stellt sich das Sozialgericht vor allem deshalb ein, weil die Anlaufschwierigkeiten bei der vor einem Jahr aus Mitarbeitern der Sozialämter und der Arbeitsagentur geschaffenen Hartz-IV-Behörde (Arge) inzwischen nachlassen und die Arge etwas routinierter arbeitet – wodurch sich für die Leistungsbezieher neue Konfliktfelder auftun.

So verlangt die Arge inzwischen beispielsweise verstärkt von Beziehern von Arbeitslosengeld II, zur Senkung der Mietkosten Untermieter aufzunehmen oder umzuziehen. In den ersten Monaten nach Einführung von Hartz IV zum 1. Januar 2005, erklärt Loets, waren die Amtsmitarbeiter noch so mit der neuen Leistungsberechnung und Softwareproblemen beschäftigt, dass es zu Sanktionen noch kaum gekommen ist: „Da wurden die Leistungsbezieher nur vorgewarnt.“

Diese Schonfrist ist jetzt vorbei. Die Arge, so Loets, werde „nun bisher nur ansatzweise oder noch nicht bearbeitete Konfliktfelder mit hohem Streitpotenzial aufgreifen“ – wie etwa die Senkung von Wohnkosten oder Sanktionen für die Ablehnung von Eingliederungsmaßnahmen. „Sie wird mehr Widerspruchsbescheide als bisher erlassen, so dass auch die Zahl der Klagen zunehmen wird.“

Mit hohen Fallzahlen rechnet Loets auch, weil die Bundesregierung angesichts hoher Kosten durch Hartz IV Gesetzesänderungen plant, die zu Leistungskürzungen führen werden. Fragen der Leistungsgewährung- und Berechnung standen schon in 2005 bei den Klagen im Vordergrund – rund 70 Prozent der Gesamteingänge beim Sozialgericht befassten sich mit der Grundsicherung für Arbeitssuchende. In 20 bis 30 Prozent der inzwischen beendeten Verfahren hatten die Kläger ganz oder teilweise Erfolg. Elke Spanner