AMERICAN PIE
: Sprudelnder Jungbrunnen

BASKETBALL Das vermeintliche Altherrenteam der San Antonio Spurs lässt sich in der NBA einfach nicht unterkriegen

Es war gerade einmal eine knappe Minute gespielt in der restlos ausverkauften Halle in San Antonio, da setzte Reggie Miller bereits zu Lobeshymnen auf Spurs-Forward Tim Duncan an: „Ich denke, es hat in der NBA-Geschichte keinen besseren Schützen aus vier bis sechs Metern gegeben als ihn“, reagierte die Spielerlegende und heutige TV-Expertenstimme auf Duncans erste Punkte im zweiten Spiel der Playoff-Serie gegen die Los Angeles Lakers am Mittwochabend. Am Ende hatte der mittlerweile 37-Jährige 16 Punkte und fünf Rebounds zum nie wirklich gefährdeten 102:91-Sieg beigesteuert und seine hervorragende Form bestätigt.

Auch Spielmacher Tony Parker konnte mit 28 Zählern und sieben Vorlagen glänzen. Der Franzose lief in der zweiten Halbzeit zu großer Form auf und erzielte dort allein 24 Punkte. „Er hat uns den großen Schub gegeben. Ich war in der ersten Hälfte etwas besorgt“, sagte Spurs-Coach Gregg Popovich. Schon in der Auftaktpartie am Sonntag konnten sich Millers TV-Kollegen Mike Breen und Jeff van Gundy gar nicht einkriegen in ihrer Bewunderung für die gesamte Mannschaft aus Texas, die auch dieses Spiel mit 91:79 für sich entschied. „Duncan und das ganze Team müssen in einen Jungbrunnen gefallen sein“, staunten die beiden immer wieder.

Seit Jahren wird dem alternden, selten veränderten Kader die Favoritentauglichkeit abgesprochen, die beste Zeit der Mannschaft sei endgültig vorbei. Und jedes Jahr wieder widerlegen die Spurs ihre Kritiker. Der Kern des Teams um Duncan, Parker und Aufbauspieler Manu Ginobili – mittlerweile auch 30 und 35 Jahre alt – steht seit 2002 auf dem Parkett, holte die NBA-Meisterschaften 2003, 2005 und 2007 in die Millionenstadt am Fort Alamo.

Konstrukteur des Erfolgs ist Coach Popovich. Nicht nur in der NBA, auch im professionellen Football, Baseball oder Eishockey gibt es keinen Übungsleiter, der annähernd so lange im Amt ist wie der 64-Jährige. Seit 1996 lenkt „Coach Pop“ die Spurs, ein Jahr später kam Duncan hinzu. Seitdem hat das Team nicht ein einziges Mal die Playoffs verpasst. Bereits im Jahre 1999 gab es die erste Meisterschaft der Vereinsgeschichte.

Im Tandem mit Manager RC Buford hat Popovich immer wieder ein Gespür für Spieler bewiesen, die anderswo kaum eine Chance bekommen hätten, bei den Texanern aber sofort groß aufspielten. „Er sollte eigentlich schon jetzt in der Basketball Hall of Fame sein“, meint Jeff van Gundy, selbst jahrelang als Coach aktiv. „Was er geleistet hat und noch leisten wird, ist ein echter Meilenstein.“

Pop wird geschätzt für seine klaren Vorstellungen, seine Ansagen und Taktiktricks auf dem Parkett, aber auch für seinen augenzwinkernden Umgang mit den Medien. „Glücklich? Meinen Sie das Ernst? ‚Glücklich‘ ist kein Wort, an das wir im Spiel denken!“, fuhr er den bekannten Seitenlinienreporter David Aldridge einmal verschmitzt an, als der ihn auf seine Zufriedenheit mit der Wurfauswahl seiner Akteure ansprach.

Als er Ende November vor dem prestige- und werbeträchtigen Topspiel gegen Meister Miami seine Schlüsselspieler Duncan, Parker, Ginobili und Forward Danny Green einfach mal in San Antonio ließ, um sie zu schonen, entstand eine breite Diskussion über die Belastung älterer Spieler. Die Spurs mussten für ihren „Bärendienst an Liga und Fans“ 250.000 US-Dollar Strafe an die NBA zahlen. „Ich weiß immer noch nicht, was daran falsch sein soll, wenn es um das Wohl meiner Spieler geht“, sagte der Gescholtene danach. Gerade jetzt in den Playoffs zeigt sich, dass sich die eine oder andere Pause wohl ausgezahlt hat im Jungbrunnen von San Antonio. DAVID DIGILI