„Wenn du es nicht lassen kannst...“

Nörgelnde Ehemänner, chauvinistische Kritiker und Aufträge nur für Tischkarten: Hannelore Cyrus verfolgt die Spuren Bremer Künstlerinnen

Einen „klugen Freigeist“ hat man ihr zugestanden. Doch der sei in einem „zarten, ätherischen“ Körper gefangen. Dem Körper einer Frau eben, dem man in seiner „grenzenlosen Schwäche“ nicht viel zumuten könne.

Dabei hat Amalie Murtfeld (1828-1888) ein Künstlerinnenleben lang auf eigenen Füßen gestanden und einen Bremer Kaufmann nach dem anderen ins Porträt gebannt. Nicht ganz lebensnah, manchmal. Eher so, wie sich der oder die Porträtierte gerne gesehen hätte. Das hat man ihr vorgeworfen. Wohlmeinende Kritiker versuchten, dem einen positiven Dreh abzugewinnen – und machten alles nur schlimmer: Hier breche sich die weiblich-mütterliche Güte Bahn, die alles in ein mildes Licht taucht.

Die Kategorie „Geschlecht“ schwingt immer mit, wenn Frauen Kunst schaffen und Männer darüber urteilen. Das macht die Soziologin und Historikerin Hannelore Cyrus in ihrer Spurensuche nach Bremer Künstlerinnen des 19. und 20. Jahrhunderts deutlich. Kunsthistorisch gesehen war Bremen vor den Worpswedern eine Wüstenlandschaft. Was Cyrus‘ Bestandsaufnahme spannend macht, ist viel eher der Blick darauf, wie sich Künstlerinnen sahen und wie sie gesehen wurden.

Zum Beispiel Amalie Murtfeld: Von den Zeitgenossen hochgelobt, von der Nachwelt abgehakt. Zwei ihrer Selbstbildnisse besitzt die Kunsthalle. Eines im Depot vergraben, das andere versteckt im Büro, kritisiert Cyrus. „Zu ihrer Zeit gehörte Murtfeld zu den interessantesten Künstlern in Bremen“, kommentiert Dorothee Hansen, die Kuratorin der Monet-Ausstellung. „Da war ja sonst nur Arthur Fitger.“

Die Karriere von Amalie Murtfelds Freundin Luise Kugler verlief weniger strahlend. Sie zeigt die Schwierigkeiten einer ledigen Künstlerin, sich mit Porträts, Illustrationen und Accessoires wie Tischkarten über Wasser zu halten. „Frauen wurden zwar von Akademielehrern in Privatstunden ausgebildet. Aber um sich in hochgeschätzten Genres wie der Historienmalerei zu bewegen, fehlten ihnen die technischen Fertigkeiten“, sagt Hansen.

Murtfelds wohlhabende Schülerin Aline von Kapff hing die Malerei eines Tages mir nichts, dir nichts an den Nagel. „Sie hat um ihre Grenzen gewusst“, höhnte ihr ein Kritiker hinterher. Über die No-Name-Maler, die sie von nun an als Mäzenin förderte, ist die Geschichte hinweggegangen. Hannelore Cyrus lakonisch: „Sie hätte genauso gut weiter malen können.“

Mit der folgenden Künstlerinnen-Generation änderte sich nicht nur die Kunst radikal, sondern auch die Schaffensbedingungen. Paula Modersohn-Becker, Clara Rilke-Westhoff und Hermine Overbeck-Rohte rangen damit, die Rollen von Ehefrau und Künstlerin zu vereinbaren. „Alle Ehen mit Künstlerkollegen waren unglücklich“, resümiert Cyrus.

In den Briefen, die Hermine Rohte mit ihrem Verlobten Fritz Overbeck wechselte, diskutierten sie ausgiebig die Frage, ob eine Künstlergattin schöpferisch tätig sein kann. Overbeck maulend: „Wenn du es gar nicht lassen kannst, solltest du es ruhig tun.“ Und zeigt sich von eigentümlicher Großzügigkeit: „Ich bin sogar bereit, ein wenig zu leiden.“ Perfide ist, wie er seine Braut in zwei Personen spaltet: Als „Hermine“ redet er seine Geliebte an, „Hermann“ nennt er die Künstlerkollegin. Auch Hermann ist kein schöpferisches Wesen, aber kenntnisreicher Berater. Bereitwillig nimmt Hermine Rohte die Zweiteilung an. Als Hermann gestattet sie dem Freund, Hermine um der Kunst willen zu versetzen. „Die Briefe beweisen, wie groß ihr Einfluss auf ihn als Künstler war“, folgert Cyrus. Darauf, dass die Kunsthistoriker das zur Kenntnis nehmen, wartet sie noch.

Annedore Beelte

Hannelore Cyrus, Zwischen Tradition und Moderne. Künstlerinnen und die bildende Kunst in Bremen bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Hauschild-Verlag