Wir wollen ins Wohnzimmer

STREAMING Auch Amazon plant eine Set-Top-Box für den Fernseher, obwohl der doch schon längst totgesagt wurde

Den „old fashioned way“ nennt das Wirtschaftsmagazin Bloomberg Businessweek das Schauen von Videos auf dem Fernseher. Also auf diesem immer flacher werdenden Gerät, das irgendwo im Wohnzimmer steht oder hängt. Dabei scheint dieser Weg keineswegs altmodisch zu sein – trotz aller Abgesänge auf das Fernsehen.

Denn nach Apple drängt nun auch der Onlinehandelskonzern Amazon auf den Fernseher. Im Herbst soll eine Set-Top-Box auf den Markt kommen, über die Videos gestreamt werden können. Quelle: mehrere mit dem Projekt betraute Personen.

Amazon hat jetzt schon ein großes Portfolio an Filmen zum Jederzeit-Anschauen im Angebot. In Deutschland werden die über den Anbieter Lovefilm vertrieben. Darüber hinaus plant das Unternehmen aus Seattle, eigene Serien zu drehen. 14 Piloten wurden entwickelt, abgedreht und stellen sich nun Zuschauertests. 500 Millionen Dollar (382 Mio. Euro) soll Amazon angeblich für die Produktion eigener Inhalte allein in diesem Jahr ausgeben können, sagen die Bloomberg-Experten.

Die Vorbilder: der Pay-TV-Sender HBO, der seit Jahren vormacht, wie spannende Serien („Sopranos“, „Game of Thrones“, „Boardwalk Empire“) auszusehen haben und wie man zahlende Kunden dafür gewinnt, und der Videostreamanbieter Netflix, der mit der eigens finanzierten Serie „House of Cards“ – einem Politdrama mit Kevin Spaces – gerade 2 Millionen neue Kunden gewonnen hat und nun insgesamt knapp 30 Millionen Nutzer hat.

Das Fernsehen auf dem Fernseher ist also keineswegs tot, wie es Bill Gates bereits 2007 prophezeite. Lediglich der Übertragungsweg ist heute immer häufiger ein anderer: die DSL-Leitung. Allerdings nur, solange die nicht gedrosselt wird, wie es die Telekom plant (siehe taz vom Mittwoch). JÜRN KRUSE