im saloon von nothing gulch von JOACHIM SCHULZ
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Es lag zwei Jahre zurück, dass ich Bo die Freundschaft gekündigt hatte, und Theo war nicht glücklich darüber. „Ich finde“, sagte er, „man sollte auch die Größe haben, das Kriegsbeil irgendwann wieder zu begraben.“ Er rückte zwei Stühle nahe an den Ofen und öffnete eine Flasche Wein. „Also, wenn du schon vom Wilden Westen anfängst: Im Saloon von Nothing Gulch wäre er für diese Gaunerei geteert und gefedert worden“, sagte ich, denn schließlich hatte uns Bo beim letzten unserer bis dahin regelmäßigen Skatabende dermaßen abgezockt, dass uns die Spucke wegblieb, jedoch – wie ich im Nachhinein herausfand – mit gezinkten Karten gespielt.

Theo trank einen Schluck. „Ich wusste gar nicht, dass du ein Anhänger der Lynchjustiz bist“, sagte er und grinste. Ich blickte ihn unwirsch an. „Immerhin“, sagte ich, „haben wir um Viertelcents gespielt. Er hat jedem von uns mehr als hundert Euro aus der Tasche geleiert. Uns, seinen Freunden!“

Theo pfiff durch die Zähne. „Zwei Jahre Verbannung für 200 Euro!“, sagte er: „Euer Ehren werden zu Recht von allen Gangstern und Ganoven gefürchtet!“ – „Ach, Blödsinn!“, brummelte ich: „Es geht um Freundschaft! Er hat seine Freunde beschubst!“ – „Meine Güte“, sagte Theo, „er war blank, er brauchte Geld, um übers Wochenende zu kommen!“ – „Er hätte mich fragen können, ich hätte ihm was geliehen!“ – „Fändest du es gerecht, von einem alten Freund für eine unbesonnene Trickserei auf Nimmerwiedersehen in die Wüste geschickt zu werden?“ – „Hm“, machte ich. „Bo“, legte Theo nach, „ist manchmal ein bisschen durchtrieben. Aber ich mag ihn. Und du hast ihn auch immer gemocht. Er verdient eine zweite Chance.“ – „Hm“, machte ich nochmals. „Außerdem“, sagte Theo, „fehlen mir unsere Skatabende.“ Damit hatte er mich. „Mir ja auch“, sagte ich: „Also schön.“

Theo wusste, dass Bo sich seit einiger Zeit jeden Abend im Prokopop Z aufhielt. „Zum Kartenspielen natürlich“, sagte er lächelnd. Wir tranken den Wein aus und zogen los. Als wir das Prokopop Z erreichten, flog plötzlich die Tür auf. Dann kam – von einigen Spielkarten umflattert – Bo herausgeschossen und landete auf der Straße. Hinter ihm trat ein bulliger Kerl aus der Tür. „Und lass dich hier nie wieder blicken!“, rief er, ehe er in die Kneipe zurückging. Bos Kleidung war von einer klebrigen Flüssigkeit durchweicht. Es war, kein Zweifel, Altbierbowle. Zudem hafteten einige Kartoffelchips an seinem Körper. „Anscheinend waren Teer und Federn gerade alle“, sagte ich, und Theo knuffte mich missbilligend in die Seite. Bo rappelte sich auf. „O, ihr seid’s!“, sagte er, als er uns erkannte: „Ihr denkt vielleicht … Aber das stimmt nicht! Ich habe nicht geschummelt! Hier, seht euch die Karten an!“

Er sammelte ein paar Karten vom Boden auf, und Theo legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Keine Angst, Bo“, sagte er, „wir glauben dir. Nicht wahr?“ Er blickte mich durchdringend an. Ich zögerte einen Moment, doch dann nickte ich und sagte: „Na, klar. Und weißt du, was wir jetzt machen, Bo? Wir gehen kurz zu dir, damit du dich umziehen kannst, und dann fahren wir zu mir, um endlich mal wieder Skat zu spielen. Mit einem originalverpackten, nagelneuen Blatt.“