Mehr Licht, bitte!

Viganella in den italienischen Alpen bekommt im Winter keinerlei Sonnenlicht ab. Ein Riesenspiegel soll nun helfen

O sole mio – das ist die heimliche Nationalhymne Italiens. Und mit Recht, wie gerade die deutschen Touristen wissen: Vom Alpensüdrand bis zu den sizilianischen Stränden gibt es schließlich Sonne satt im ganzen Land. Nur in einem Dorf ist das Lied völlig fehl am Platze: in dem Alpennest Viganella.

Tief schmiegt sich das Dorf in ein Tal nordöstlich von Turin nahe der Schweizer Grenze, allzu tief, mit der unschönen Konsequenz, dass – egal ob der Himmel nun blau ist oder nicht – die 197 Einwohner den ganzen Winter hindurch die Sonne nicht zu Gesicht kriegen. Vom 11. November bis zum 2. Februar können sie die Ray-Bans getrost zu Hause lassen; schließlich beschert der Gipfel der Colma ihnen ein garantiertes knapp dreimonatiges Schattendasein. Das bereitet nicht nur den mickrigen Geranien an den eigentlich recht hübschen Fassaden der hutzeligen Berghäuser Probleme, das schlägt auch den Viganellesern aufs Gemüt. Ein Schwätzchen auf der Piazza, gewärmt von der milden Wintersonne? Nicht vor dem 3. Februar. Die Provinzverwaltung vergilt den Armen das Ungemach mit einer Art Schmerzensgeld: 1.250 Euro pro Jahr erhalten die Bürger, die im Dorf wohnen bleiben.

Seit Jahrhunderten geht die Winter-Tristesse schon so – jetzt aber soll Schluss sein mit der Düsternis. Den Lauf der Sonne ändern kann Bürgermeister Perfranco Midali nicht – aber er will seinem Sprengel jetzt wenigstens ordentlichen Sonnen-Ersatz spendieren. Ein mächtiger Spiegel soll auf den Berg, per Motor immer so ausgerichtet, dass das Sonnenlicht wenigstens sechs Stunden am Tag genau auf die Piazza reflektiert wird. 40 Quadratmeter Oberfläche wird der Spiegel haben, der in knapp 900 Meter Entfernung vom Dorfplatz angebracht werden soll. Was der Spaß kostet, hat der Bürgermeister auch schon ausgerechnet. Akkurat 99.990 Euro werden für die „Es werde Licht“-Operation fällig. MICHAEL BRAUN, ROM