ISRAEL: ARIEL SCHARON MUSS ZURÜCKTRETEN – ABER BLOSS NICHT JETZT
: Schmiergeld auf schlüpfrigem Parkett

Wäre Ariel Scharon ein aufrechter Mann, dann würde er jetzt seine Koffer packen und schleunigst nach Hause gehen. Für viel weniger Geld als die Summe, um die sich die aktuelle Schmiergeldaffäre dreht, hat Expremierminister Jitzhak Rabin einst seinen Posten verlassen. Damals ging es um ein paar tausend Dollar, die Rabins Frau Lea auf einem amerikanischen Konto zurückließ, nachdem die Zeit Rabins als Botschafter in Washington abgelaufen war. Devisenbesitz war in Israel bis in die 90er-Jahre verboten, also trat Rabin ab. Ein Glück, dass Scharon kein so edler Mensch ist.

Natürlich muss der Premierminister abtreten, aber doch nicht jetzt. Seine neue Liste Kadima, die derzeit alle Umfragen anführt, ist eine Partei ohne Basis und Programm. Ohne Scharon gibt es keine Kadima, und ohne Kadima wird der Likud die Wahlen gewinnen. Das wiederum bedeutet, dass Benjamin Netanjahu das Land regieren wird, und mit Netanjahu ist kein Frieden zu machen.

Die Veröffentlichungen über die drei Millionen Dollar, die in die Kasse der Familie Scharon flossen, werden das Wahlverhalten der Israelis vermutlich kaum beeinflussen. Es ist nicht das erste Mal, dass der Premierminister Korruptionsvorwürfen ausgesetzt ist. Sein Sohn Omri verließ diese Woche seinen Posten als Abgeordneter, weil er das Urteil in einem anderen Schmiergeldprozess erwartet. Vom Oberstaatsanwalt abgesehen, gibt es in Israel nicht mehr viele, die Scharons frühere Aussage glaubten, er habe von nichts gewusst. Trotzdem ist er nach wie vor mit Abstand der populärste Politiker im Land.

Was Scharon zu Fall bringen wird, ist die polizeiliche Untersuchung. Vor den Wahlen wird es keine Ergebnisse geben, trotzdem sind die Tage des Premierministers gezählt. Wenn ihm das Wohl seines Volkes am Herzen liegt, dann hat er zwei Möglichkeiten: Entweder er treibt den politischen Prozess so weit voran, dass er zu dem Zeitpunkt seines Abgangs nicht mehr rückgängig zu machen ist, oder er sorgt für eine Regierung, die die Amtsgeschäfte auch ohne ihn fortsetzen kann. Will er ganz sicher gehen, müsste er beides tun. SUSANNE KNAUL