Der „Pate“ droht, richtig auszupacken

Der US-Mega-Lobbyist Jack Abramoff bekennt sich des Betrugs und der Steuerhinterziehung für schuldig. Auch dient er sich als Kronzeuge an. Das dürfte Republikaner, die von Geldern oder anderen „Geschenken“ profitiert haben, in Bedrängnis bringen

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

So wie er aus dem Washingtoner Gerichtsgebäude kam, im schwarzen Trenchcoat und mit schwarzem Borsalino, hätte es eine Szene aus seinem Lieblingsfilm gewesen sein können: „Der Pate“. Jack Abramoff, 46, der Mega-Lobbyist, der sich am Dienstag vor einem Bundesgericht in Washington des Betrugs und der Steuerhinterziehung schuldig bekannte, ließ das politische Washington kurz erbeben. Denn er steht im Mittelpunkt eines verschachtelten Korruptionsnetzes, in dem prominente republikanische Abgeordnete Geld erhielten oder mit Golf-Ausflügen, VIP-Tickets für Sportveranstaltungen, Abendessen und anderen Zuwendungen bedacht wurden.

Das nun erwartete Verfahren, in dem sich Abramoff, um Haftmilderung zu erhalten, den Ermittlungsbehörden als Kronzeuge anbietet, dürfte der amerikanischen Öffentlichkeit Einblicke in das politische Geschäft ihrer Hauptstadt bieten, wie kein Korruptionsskandal zuvor. Rund ein Dutzend Abgeordnete, überwiegend regierende Republikaner, so meldete die New York Times, dürfte Abramoffs Geständnisse in Bedrängnis bringen. Vor der im Herbst anstehenden Wahl zum Kongress wäre dies für Präsident George W. Bushs Partei eine schwere Schlappe – und könnte dafür sorgen, dass die bislang erfolglosen Demokraten wieder die Mehrheit im Abgeordnetenhaus erhalten.

Bereits der Umstand, dass Abramoff vor Gericht stand, sandte Schockwellen durch den US-Kongress. Noch bevor er das Gerichtsgebäude überhaupt verlassen hatte, gingen zahlreiche Abgeordnete auf Distanz zu dem geschickten Kontaktmacher und Geschäftsmann, der zu seinen besten Zeiten einen Stundenlohn von 750 Dollar für „Verbindungen“ berechnet haben soll.

Kaum sendete CNN die ersten Meldungen über Abramoffs Kronzeugendeal, kündigte der republikanische Sprecher des Abgeordnetenhauses, Denis Hastert, an, er würde die 69.000 Dollar an Hilfsorganisationen spenden, die er von Abramoff als Wahlkampfhilfe erhalten hatte. Insgesamt hatten zahlreiche Abgeordnete in den letzten Wochen demonstrativ mehr als 200.000 Dollar an wohltätige Institutionen gespendet.

Abramoff soll, so das Gericht, seit dem Jahr 2000 über 1,5 Millionen Dollar an Wahlkampfhilfen an mehrere hundert Politiker, über die Hälfte davon Republikaner, verteilt haben. Davon profitierten auch so prominente Politiker wie der Fraktionsführer der Republikaner im Abgeordnetenhaus, Tom DeLay.

DeLay, der gerade im Bundesstaat Texas wegen Geldwäsche und unerlaubter Wahlkampffinanzierung vor Gericht steht, war Abramoffs engster Verbündeter in der republikanischen Elite. Er ließ sich von Abramoff zum Luxus-Golf nach Schottland einladen und nahm Abramoff-Geld für seinen Wahlkampf als Präsident Bushs Einpeitscher im Repräsentantenhaus. DeLay, der gerne seinen Washingtoner Posten zurückgewinnen möchte, könnte Abramoffs Aussagen nun für immer aufs politische Abstellgleis schieben. Abramoff, der Mann, der in hunderten der Staatsanwaltschaft vorliegenden E-Mails mit seinem Geschick und Erfolg angab, der seine Hauptklienten, fünf indianische Stämme, schon mal als „Affen“ bezeichnete, saß am Dienstag offensichtlich geknickt vor der Richterin Ellen Huvelle und gab zu, „eine Vielfalt von Fehlern begannen zu haben“. Sein Wille zur Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft könnte ihm höchstens 10 statt der ansonsten drohenden 30 Jahre Haft bescheren. Abramoff erklärte sich zudem bereit, mindestens 25 Millionen Dollar Entschädigung an seine Klienten zurückzuzahlen.

Vor ihm wurde im November sein Geschäftspartner Michael Scanlon, früherer Pressesprecher von Tom DeLay, im gleichen Korruptionsfall angeklagt. Auch Scanlon ist bereit, gegen Abgeordnete auszusagen, die sich von ihm bestechen ließen.

Der Skandal um den Lobbyisten Jack Abramoff wird von Staatsanwälten als Fall gewertet, der weit über das normale Maß des Lobbyismus hinausgegangen sei, „man könnte auch sagen, da wurde die feine Linie zwischen Fundraising und Kontaktemachen hin zur Bestechung deutlich überschritten“, sagte Vize-Staatsanwältin Alice S. Fisher.

Der Präsident der 700 Mitglieder zählenden Amerikanischen Liga der Lobbyisten, Paul Miller, sagte, der Skandal sei ein Rückschlag für Abgeordnete und Interessenvertreter und die Art und Weise, wie man miteinander umgehe. Er sagte, Abramoff sei keineswegs ein „Superlobbyist“ gewesen, sondern, „ein Super-Ganove“ – eben ganz der Pate.