Eine salomonischeEntscheidung

GEGENDERTER PLATZ

Als Johannes Rau zu seiner Zeit als NRW-Ministerpräsident gefragt wurde, ob man nicht auch mal ein Fußballstadion nach einer Frau benennen sollte, sagte er: „Und wie sollen wir das dann nennen? Dem Ernst Kuzorra seine Frau ihr Stadion?“ Schließlich werden nur Männer im Fußball berühmt – wie dort eben der legendäre Schalker.

Was Rau als Witz meinte, wird jetzt Realität: Fromet Mendelssohn kommt auf ein Straßenschild – aber nicht wegen eigener Verdienste, sondern wegen ihrer Funktion als Ehefrau. Es war ihr Mann Moses Mendelssohn, der als jüdischer Philosoph der Aufklärung berühmt wurde. Deshalb schlug das Jüdische Museum auch vor, dass der bis dato namenlose Platz vor dem neuen Gebäude nach ihm benannt wird. Doch dieser Platz liegt in Friedrichshain-Kreuzberg. Und dort hat das Bezirksparlament im Jahr 2005 beschlossen, dass Straßen und Plätze so lange bevorzugt nach Frauen benannt werden, bis ein Gleichgewicht zwischen Frauenstraßen und Männerstraßen hergestellt ist. Natürlich gibt es auch Ausnahmen: Für Rudi Dutschke, für Silvio Meier (siehe Interview Seite 46, 47). Aber nicht für Moses Mendelssohn. Deshalb entschied sich die Bezirksverordnetenversammlung am Mittwochabend für einen Doppelnamen: Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz.

Ein Kompromiss, der allen Seiten gerecht wird. Und der damit auch wegweisend sein könnte für die Zukunft. Dann kreuzt vielleicht die Gretchen-und-Rudi-Dutschke-Straße eines Tages die Friede-und-Axel-Springer-Straße. SEBASTIAN HEISER