Kultur im weitesten Sinne

CITY TAX FÜR DIE KUNST

Erst jetzt wird sich zeigen, woher der Gegenwind kommen kann

Dieses Wochenende ist Gallery Weekend. Mit 10.000 Kunstinteressierten kann gerechnet werden, die gezielt wegen des Angebots der Galerien, Museen und Kunstinitiativen in die Stadt kommen. Man wird sie sehen in Straßen und Höfen, den Kunsträumen, Cafés und Clubs. Sie bilden gewissermaßen die Spitze des Eisbergs der Touristen, die es wegen der Kultur nach Berlin zieht. 25 Millionen waren es 2012.

Am Dienstag vergangener Woche beschloss der rot-schwarze Senat, künftig eine Übernachtungssteuer von fünf Prozent auf die Netto-Hotelrechnung zu erheben, die sogenannte City Tax. Am Samstag zuvor haben wir in der taz einen offenen Brief der politisch engagierten Künstlerinitiative „Haben und Brauchen“ publiziert, die 100 Prozent der daraus resultierenden Einnahmen „für freischaffende KulturproduzentInnen, Projekträume und Spielstätten sowie prekär arbeitende Kunst- und Kulturinstitutionen“ fordert. Schon seit einem Jahr arbeitet eine Koalition der Freien Szene an einer Liste notwendiger Investitionen, um der ungerechten Verteilung der Kulturförderung entgegenzuwirken. Sie haben die kulturpolitischen Sprecher der Parteien dazu gebracht, 50 Prozent der City Tax der Kultur und der Freien Szene zuzugestehen. Auch Kulturstaatssekretär André Schmitz, mit dessen Verwaltung Gespräche gesucht wurden, sagt im Interview der Berliner Zeitung: „Natürlich muss die freie Szene deutlich profitieren.“

Das klingt nach einer guten Weichenstellung. Ob die schönen Einsichten in die Bedeutung der Künstlerszenen für die Attraktivität der Stadt, deren touristische Zuwachsraten weltweit gerade ganz vorne liegen, aber auch in politisches Handeln umgesetzt wird, ist nicht raus. Denn erst jetzt, nach dem Beschluss des Gesetzes, wird sich zeigen, woher der Gegenwind kommen kann. „Die Hälfte der Einnahmen kommen der Kultur und der touristischen Infrastruktur im weitesten Sinne zugute“, versprach Finanzsenator Nußbaum. Und meint mit „im weitesten Sinne“ auch so etwas wie Bushaltestellen und Hotelleitsysteme. Die andere Hälfte sieht er dagegen für Haushaltskonsolidierung und Schuldenabbau reserviert.

Die Zweckbindung von steuerlichen Einnahmen ist gesetzlich nicht möglich; wohl aber die Einführung von neuen Haushaltstiteln für kulturelle Förderung. Die Arbeit der Politiker, aus einem Konzept Realität werden zu lassen, beginnt – jetzt. KATRIN BETTINA MÜLLER