ANDREAS FANIZADEH LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Mario Vargas Llosa und die Populärkultur

Mario Vargas Llosa ist ohne Zweifel ein großer Schriftsteller. Er hat den lateinamerikanischen Roman ab den 1960er Jahren grundlegend erneuert. Für Bücher wie „Tante Julia und der Kunstschreiber“ hat der 1936 geborene Peruaner zu Recht den Nobelpreis für Literatur erhalten.

Auch seine späten Romane wie „Das Fest des Ziegenbocks“ (über die Diktatur Trujillos in Santo Domingo) oder 2010 „Der Traum des Kelten“ (eine irisch-kongolesisch-peruanische Dreiecksgeschichte aus der Epoche des Imperialismus) sind unbedingt empfehlenswert.

Alles Boulevard?

Doch Vargas Llosa kann auch ein übler Besserwisser sein, ein bildungsbürgerlicher Snob, selber ein bisschen alter Ziegenbock, der überall Verfall und Gleichmacherei wittert, wo er auf die neuen Massenkulturen stößt. „Heutige Leser wollen leichte Bücher“, zetert der Nobelpreisträger in seinen kulturkritischen Essays („Alles Boulevard“, Suhrkamp 2013), die er zumeist im spanischen El Pais erstveröffentlicht. „Literatur light, Kino light, Kunst light.“ Einmal in Rage, mokiert er sich über die Gegenwart, in dem „Kochen und Mode einen großen Teil des Kulturprogramms einnehmen“. Die alte Vargas-Llosa-Kultur kannte wohl wenig Körper und war eher exklusiv gedacht.

Als Literat ist Vargas Llosa brillant, geschichtsbewusst und differenziert – ein unbestechlicher Humanist. Als Essayist ist er eine Niete. Ein blasierter Elitist, dem das Geplärr aus den Lautsprecherboxen der Händler in Lima genauso auf die Nerven geht wie europäische Massenmedien. Er geißelt Dekadenz – „Doch wird diese verständliche Neigung, es sich gut gehen zu lassen, zum höchsten Wert erhoben, bleiben die Folgen nicht aus: die Kultur wird banal, das Frivole breitet sich aus, und um sich greift ein Journalismus des Klatsches und des Skandals“ – und wird zum Propheten von Nivellierung und Zerfall: „Fragt sich, wie der Westen in eine solcherart geprägte Kultur abrutschen konnte.“

Wie konnte er nur? Vielleicht hätte da der alte Polterer aus Lübeck noch ein Gedicht beizutragen – Vargas Llosa erinnert tatsächlich an Grass und huldigt den Schriftsteller als allwissenden Intellektuellen. Vielleicht lesen die, die in Popkultur kein negatives „Phänomen der Vermassung“ sehen, besser die Essays des antiautoritären Jonathan Franzen („Weiter weg“, Rowohlt 2013). Oder den Literaten Vargas Llosa, der mit „Tante Julia und der Kunstschreiber“ in den 1970ern auch medientheoretisch auf Höhe der Zeit agierte.

Andreas Fanizadeh leitet das Kulturressort der taz