DER ERZBISCHOF UND SEINE LUSTKNABEN IN BELGRAD
: Wie beim Mafia-Clan

ANDREJ IVANJI

Die orthodoxe Kirche ist in Serbien das Thema. Nicht etwa, weil die Heilige Synode die Staatsspitze beschuldigte, das Kosovo verraten zu haben, und die Staatsspitze zurück brüllte, die Priester sollten sich doch ums himmlische Reich kümmern und die Politik den gewählten Vertretern des Volkes überlassen; sondern weil in dem homophoben Land ein Erzbischof mit einem anderen Mann im Bett beim unmissverständlichen Austausch von Streicheleinheiten erwischt wurde.

Die meisten Gespräche in den serbischen Städten beginnen mit: „Hast du das Video mit dem Pornobischof schon gesehen?“ Gemeint ist der serbisch-orthodoxe Erzbischof Vasilije Kacavenda von Zvornik und Tuzla in Bosnien. Einer seiner bezahlten Lustknaben hat die Orgie mit dem hohen Geistlichen mit einer in seinem Ring eingebauten Kamera gefilmt und ins Netz gestellt. „Na und?“, sagte darauf der weltberühmte Filmregisseur Emir Kusturica. „Man lehrt uns den Gay Pride zu schätzen, und nun soll übel sein, wenn ein Bischof bisexuell ist?“

Für die meisten Gläubigen ist die Sache nicht so einfach: Die orthodoxen Würdenträger betrachten Homosexualität als Sünde, als Krankheit. Sie kritisieren nicht nur den Belgrader Gay Pride, sondern stacheln Gegendemonstrationen an. Die Polizei sagte die Parade letztes Jahr aus „Sicherheitsgründen“ ab.

Die Kirchenführung hat nur reagiert, als sie nach Bekanntwerden der Sache „den Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen“ des schwulen oder bisexuellen Erzbischofs angenommen hat. Kacavenda behält seine Bischofswürde, er verliert nur sein Bistum. Das genügt der Öffentlichkeit keineswegs.

„Schaut euch die Fahrzeuge vor dem Patriarchensitz an. Wer nicht wüsste, was los ist, würde meinen, da versammelt sich der Corleone-Clan. Lauter Audis, Mercedes, BMWs!“, steht in der Boulevardzeitung Kurir. Die Fotos und Filme, die Kacavenda in homosexueller Aktion zeigen, soll die Kirchenführung schon im vergangenen November gesehen, die sein Rücktrittsgesuch aber vertagt haben. Weltverschwörungstheoretiker meinen, das Video sei gerade zu dem Zeitpunkt aufgetaucht, als sich die Kirche gegen die Kosovo-Politik der Regierung aufbäumte.

Das Wochenmagazin Vreme schreibt, im Vorjahr hätten sich drei Studenten des Priesterseminars in Cetinje beklagt, dass der Bischof sie sexuell belästigt habe. Noch vor Jahren klagte ein Priestermönch Bischof Kacavenda an, er habe den jungen Theologen Milic Blazenovic ermorden lassen. Der Fall Kacavenda ist nur die Spitze des Eisberges. Schon 2002 wurde der Bischof von Vranje von vier minderjährigen Schülern eines orthodoxen Seminars angeklagt, weil er sie sexuell missbraucht habe. Zwei dieser Fälle wurden vom Gericht so lange hingezogen, bis sie verjährt waren, die anderen mangels an Beweisen eingestellt. Nun soll auch er seinen Rücktritt „aus gesundheitlichen Gründen“ angeboten haben.

„Wer sagt, wir näherten uns nicht westlichen Werten an?“, sagt ein Bekannter in einem Belgrader Café. „Nach all den Skandalen in der römisch-katholischen und der anglikanischen Kirche beweist unsere serbische, dass sie in nichts nachsteht.“