Mumien auf Zollverein

Am Wochenende lauert auf der Eisbahn in der Essener Kokerei eine Aktions-Künstlerin auf willige Schlittschuhläufer. Im Rahmen einer Performance werden die mit Papier verhüllt und dann befragt

VON PETER ORTMANN

Im Weltkulturerbe Zollverein in Essen drehen weiße Mumien auf Schlittschuhen ihre Runden. Die Düsseldorfer Künstlerin Renate Hoffmann Korth präsentiert heute am Dreikönigstag ihre Performance erstmalig auf der Eisbahn der Kokerei. Besucher und vielleicht auch Sternsinger werden dafür mit weißem Japanpapier verhüllt. Gefährlich scheint die Aktion für die Schlittschuhläufer nicht zu werden, sie sollen anschließend von der Künstlerin noch über ihre Gemütsverfassung befragt werden können, die diese Gespräche aufzeichnet.

Je nach Wetterlage und Situation auf dem Eis sind nur heute (ab 12:00 Uhr) und morgen jeweils zwei bis drei Aktionen geplant. „Wir gehen da vorsichtig ran“, sagt Marita Pfeiffer von der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur. Die Stiftung, die in Nordrhein-Westfalen viele baulichen Relikte der Stahl- und Kohlezeit besitzt, ist Mitveranstalter. Die Performance sei aber nur eine einmalige Sache, „schließlich koste das Geld“, so Pfeiffer.

Die Idee zur Verbindung von Kunst und Leibesübung kam von der Essener Galerie 162, die auf Zollverein Ende des vergangenen Jahres bereits die „Kunstquadrate“ veranstaltet hat. „Wir möchten die Aktionen auf der Eisbahn auch im nächsten Jahr gerne fortsetzen“, sagt Silvia Sonnenschmidt, die gemeinsam mit Thomas Volkmann die Galerie im Essener Süden leitet, die auch als Projekt- und Ausstellungsbüro agiert. Statt einen oder wenige Künstler zu fördern, verfolgen sie damit das Ziel, einer größeren Anzahl von ProduzentInnen in NRW neue Ausstellungsmöglichkeiten zu bieten.

Die erste ist nun Renate Hoffmann Korth. Sie studierte Kunst und Philosophie in Berlin und an der Kunstakademie Düsseldorf. Mit der Performance auf der Eisbahn schließt die Künstlerin an frühere Aktionen an. 2003 entstand die erste Verhüllung lebender Personen, als sie nach Seoul in Korea reiste und mit dem Projekt „Cocooning“ den Gedanken der Verwandlung der Raupe vom Unansehnlichen zum Schönen aufgriff. Dort verwandte die Künstlerin farbige Stoffreste von Seidenstoffen für Hochzeitskleider, die sie geschenkt bekam.

Das Verhüllen und Enthüllen von Personen ist für Hoffmann Korth ein Prozess. Beim Verhüllen gehe es um Meditation, einem Verhüllen der Sinne und damit einem Ankommen im Unbekannten oder bei sich selbst, so die Künstlerin. Das Enthüllen verlaufe dann mit anderen Gesten weiter: Entweder werden die mumifizierten Eisläufer wieder ausgewickelt oder mit Schere und Messer aus dem Papier geschnitten.

Genügend Protagonisten wird die Performerin, für die ein rutschfreies schwarzes Quadrat auf die Eisfläche geklebt wird, wohl finden. Die Eisbahn auf Zollverein boomt. „Wir haben in dieser Saison bereits 6.000 Besucher gezählt“, freut sich Marita Pfeiffer. Das sei eine deutliche Steigerung zum Vorjahr. Dazu habe man Sternsinger aus den Stadtteilen Katernberg, Stoppenberg und Schonnebeck eingeladen, an der Aktion mitzuwirken.