Rüttgers greift nach den Sternen

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident beschwört zusammen mit seinem liberalen Stellvertreter Pinkwart Gemeinsamkeiten von Schwarz-Gelb – und überspielt Differenzen in zentralen Politikfeldern

AUS DÜSSELDORFANDREAS WYPUTTA

Zum Jahresbeginn setzt Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers auf das Prinzip Hoffnung. 2006 werde „ein gutes Jahr“ für das größte Bundesland, Nordrhein-Westfalen habe „wieder Tritt gefasst“, verkündete der Regierungschef gestern bei der traditionellen Neujahrs-Pressekonferenz im Düsseldorfer Landtag. Konkret aber hatte Rüttgers wenig Positives zu berichten: Die im Dezember um 0,2 Prozent gestiegene Arbeitslosigkeit sei „noch nicht die Trendwende“, musste der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende einräumen.

Doch die in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres um knapp zehn Prozent gesunkene Zahl der Insolvenzen könnte ein Zeichen für den sich abzeichnenden Wirtschaftsaufschwung sein, glaubt Rüttgers – ebenso wie die um fünf Prozent gestiegenen Auftragseingänge aus dem Inland: „Das könnte ein Signal sein“, macht er sich Mut.

Dagegen fährt Rüttgers‘ Stellvertreter von der FDP, Andreas Pinkwart, einen anderen Kurs. Zwar beschwört auch der Wissenschaftsminister die Gemeinsamkeiten der „Koalition der Erneuerung“, zu der die Liberalen das schwarz-gelbe Bündnis in Düsseldorf geadelt haben. Dessen Stil setze „auf das gemeinsame Suchen nach den besten Lösungen für die Probleme unseres Landes, statt unsere Energie in internen Reibungsverlusten zu verbrauchen“. Die „Zeit der rot-grünen Selbstbeschäftigung“ sei vorbei, beteuert der Vize-Ministerpräsident.

Von einer Stärkung der Binnennachfrage durch höhere Löhne aber, die Rüttgers vor wenigen Tagen gefordert hatte, will Pinkwart nichts wissen: Statt auf steigende Einkommen zu setzen, klagt Pinkwart in Interviews lieber über „zu hohe Sockellöhne“. Wirklich zukunftsfähig werde Nordrhein-Westfalen nur durch verstärkte Anstrengungen in den Bereichen Innovation und Bildung, glaubt der Innovationsminister: „Dann bekommen die Menschen wieder Vertrauen in sich, in die Zukunft.“

Das Vertrauen der „Menschen in NRW“ in die Arbeit der Landesregierung belegen soll auch eine Umfrage des Meinungsinstituts Emnid, die Rüttgers ganz nebenbei vorstellte – dem CDU-Hausblatt Bild waren die Ergebnisse schon am Vortag zugespielt worden. Nach der aus Steuermitteln bezahlten Studie waren 69 Prozent der Befragten mit dem Start der neuen Landesregierung zufrieden, mit der Arbeit von Rüttgers selbst sind danach 62 Prozent „im Großen und Ganzen“ einverstanden.

Dennoch wartet viel Überzeugungsarbeit auf Christdemokraten und Liberale: 57 Prozent lehnen die von Schwarz-Gelb beschlossenen Studiengebühren ab, 88 Prozent fordern weitere Entbürokratisierung, sogar 93 Prozent warten auf eine verbesserte Kinderbetreuung – wie im CDU-Wahlprogramm versprochen.

Regierungschef Rüttgers begann am gestrigen Nachmittag mit der Umsetzung eines weiteren Wahlversprechens: Zusammen mit Landwirtschaftsminister Eckhard Uhlenberg pflanzte er Bäume auf der Essener Zeche Zollverein – in den kommenden fünf Jahren sollen in NRW 100 neue Alleen entstehen.