Das wird schon wieder

Winterdepression? Wohl eher eine leichte Störung der Befindlichkeit, deren Therapie ein Spaziergang ist

Die Weihnachtslichterketten sind abgebaut, auf den Bürgersteigen knirscht Granulat vermischt mit Schneematsch und den Resten der Silvesterböller – kein Glitzern mehr nirgends, ein weiter Weg noch bis zum Karneval mit seinem stimmungsaufhellenden Alkoholismus. Unvorstellbar, dass jemals wieder Frühling sein könnte.

Jeder kennt das. Schon im November hat die klimatisch-psychologisch unerfreuliche Zeit begonnen, und der Januar ist ihr Epizentrum. Die so genannte Winterdepression geht um, gemeint ist damit meist die umgangssprachliche Bedeutung des Wortes Depression, eine bei schlechtem Wetter einsetzende gedrückte Stimmung. Es handelt sich in den meisten Fällen um leichte Befindlichkeitsstörungen, die rezeptfrei therapiert werden können: Äußerst hilfreich ist ein täglicher, mindestens einstündiger Spaziergang bei Tageslicht. Allein die körperliche Aktivität verursacht einen Stimmungsschub, wirkt angstlösend und entspannend. Ausgehend von der Lichthypothese, also der Vermutung, dass es einen Zusammenhang zwischen Lichtmangel und Depressionen gibt, sorgt die Wintersonne zudem für die Ankurbelung des körpereigenen Serotoninhaushalts und damit für gute Laune.

Bei der tatsächlichen Winterdepression handelt es sich um eine so genannte saisonal abhängige Depression (SAD), eine Sonderform der depressiven Erkrankung: „Nur eine kleine Minderheit der Depressionsformen zählt zu den SAD. Im Vordergrund dieser Form steht das Erleben mangelnder Energie und verminderten Antriebs. Spezifische Symptome sind ein gesteigerter Appetit und ein erhöhtes Schlafbedürfnis“, sagt Ulrich Hegerl vom „Kompetenznetz Depression“ (www.kompetenznetz-depression.de).

Die Betroffenen verspüren einen Heißhunger auf Süßigkeiten und fallen in eine Art Winterschlaf. Geholfen werden kann zum einen mit Antidepressiva und/oder Psychotherapie, zum anderen mit einer Lichttherapie von mindestens 10.000 Lux. Nur bei 10 Prozent aller in den Wintermonaten auftretenden Depressionen handelt es sich um eine SAD, es ist also ein Gerücht, dass es einen Zusammenhang zwischen Winter und Depression gibt. Also: Nicht schwächeln und raus an die frische Luft!

MARTIN REICHERT